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Die Amis kommen - der Mustanghuf als Lösung aller Probleme? (Gerhard Jampert)

Dieser Artikel ist Bestandteil der Tagungsmappe der 4. Huftagung der DHG e.V. Die Tagungsmappe (44 Seiten) kann zum Preis von 10 Euro bei uns bestellt werden.

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"Natural Hoof Care" - der Oberbegriff über die amerikanische Barhufbearbeitung - ist in Fahrt gekommen. In den Internet-Foren werden Erfahrungen abgefragt und Bearbeiter gesucht. Und parallel dazu, wie der Begriff in Mode kommt, finden sich auf dem deutschen Markt plötzlich immer mehr Hufbearbeiter, die von sich behaupten, mit Hilfe dieser Methode gesunde und leistungsfähige Hufe zu schaffen.

Entwicklung: Eine Idee wird geboren

Die amerikanische Barhufbearbeitung nahm ihren Ausgangspunkt und erhielt ihre Orientierung durch das 1992 erschienene Buch "The Natural Horse" von Jaime Jackson. Darin verarbeitete er die Erfahrungen und Messungen, die er von 1982 bis 1986 in der Begleitung von Wildpferdeherden im Great Basin westlich der Rocky Mountains gesammelt hatte. Seit dieser Zeit hatte der gelernte Hufschmied über Jahre hinweg an domestizierten Pferdeherden mit seinem Naturtrimm experimentiert. Anders als Gene Ovnicek, der aus den Mustang-Hufabdrücken auf seinen Teerbrettern einen "revolutionären" neuen Hufbeschlag entwickelte, das NBS-Eisen, das seitdem schon vielen Pferden Probleme beim Laufen bereitet hat, beendete Jaime Jackson seine Beschlagskarriere Anfang der 90er Jahre und verschrieb sich voll dem Barhuf.

Die Idee, die Jaime Jackson selbst faszinierte und für deren praktische Umsetzung er Anhänger warb, war einfach: "Mir wurde zum erstenmal die Realität von Hochleistungsbarfüßigkeit bewusst. ... Das ist, wenn das Pferd sich natürlich auf seinen unbeschlagenen Füßen mit optimaler Tüchtigkeit bewegt. ... Das gibt es wirklich und meiner Ansicht nach gibt es kein Pferd auf der Erde - wild oder domestiziert - das die Natur nicht vollständig dafür gerüstet hat." (HOGNHC S. 33, eigene Übersetzung)

Natürlich stellt sich da sofort die Frage, warum Hauspferde schwache und kranke Hufe haben, die förmlich nach einem Beschlag schreien. Zur Zustandsbeschreibung zitiert Jaime Jackson eine Untersuchung der American Farrier Association: "Von den 122 Millionen Pferden weltweit sind höchstens 10% klinisch gesund. Ca. 10% (12,2 Mio) sind klinisch unnutzbar lahm. Die restlichen 80% (97,6 Mio) dieser Pferde sind etwas lahm ... und haben den Gesundheitstest nicht bestanden." (American Farriers Journal, Nov. 2000, zitiert nach Paddock Paradise S. 13)

Die Lösung liegt für Jaime Jackson auf der Hand: "Die schwachen Hufe sind dem Pferd nicht angeboren ..., sie sind das Produkt der Hufschmiedearbeit und - abhängig von der Art der Aufstallung - vom engen Eingesperrtsein und anderer unnatürlicher Haltungspraktiken." (HOGNHC S. 36, eigene Übersetzung)

Die Idee ist geboren und lautet: Man muss sich bei der Arbeit am Wildpferdehuf orientieren: "Follow the wild model"!

Diese Idee ist aber noch keine Hufbearbeitungsmethode. Es geht schon damit los, dass wild lebende Pferde in verschiedenen Lebensräumen völlig unterschiedliche Hufformen aufweisen; da gibt es flache, weite, enge ausgebrochene, jahreszeitlich am selben Pferd starke Wechsel etc. (siehe diverse veröffentlichte Untersuchungsergebnisse). Aber auch die Messungen von Jaime Jackson selbst im Great Basin zeigen eine ziemliche Bandbreite innerhalb eines Lebensraums (vgl. The Natural Horse S. 71 und 81). "In der Natur reflektiert jeder Huf die individuellen Einflüsse bzw. das Erscheinungsbild des ganzen Pferdes. Das erklärt die Variationsbreite der Charakteristika von Hufformen, die man in Wildpferdepopulationen antrifft. Keine zwei Pferde sind identisch. Und keine zwei Hufe sind genau gleich, wie der andere." (HOGNHC S. 79, eigene Übersetzung)

Abgrenzung: Die Idee hat unterschiedliche Propagandisten und Erscheinungsformen

Unglücklicherweise traf die amerikanische Barhufbewegung in ihrer Entwicklung auf eine Barhufmethode aus Deutschland, die - ebenfalls unter Bezug auf den Wildpferdehuf - einen optimalen Huf, allerdings abgeleitet aus physikalischen Formeln, gestalten will. Die gemeinsame Entwicklung in den 90er Jahren resultiert in gemeinsamen Auffassungen über fundamentale Gesetzmäßigkeiten des Hufs, die bis heute zur Standardausrüstung auch der NHC-Theorie gehören: Hufmechanismus, Blutpumpe und bodenparalleles Hufbein. Diese Gemeinsamkeit hat Jaime Jackson und seine Practitioner-Kollegen jedoch nicht daran gehindert, sich massiv von allen "invasiven Methoden" in der Hufbearbeitung abzugrenzen: "Wir dürfen auf keinen Fall dem Pferd im Namen der Rehabilitation Schmerzen zufügen, weil der wichtigste Aspekt irgendetwas am Pferd zu rehabilitieren die Bewegung ist. Jede Bearbeitungsmethode, die vorschreibt, dass Pferde in einer Weise bearbeitet werden, dass sie sich nach der Bearbeitung weniger gut fühlen, ist von Natur aus falsch." (MNHCWfY S. 55) "Die meisten der frühen Fachleute der Barhufbearbeitung haben sehr invasive Bearbeitungstechniken gelernt, die für die Pferde in einer Welt aus Schmerz resultierten. ... Die Methodik von Natural Huf Care hört sich gut an, weil sie es ist, aber sie wurde von inkompetenten Leuten durchgeführt. Pferdebesitzer auf der ganzen Welt versuchten es und Blut ergoss sich überall auf die Stallböden." (Die Politik der Hufpflege, Pete Ramey nach der Übersetzung von www.arabisches-halbblut.de) Majorie Smith: "Ich fand, dass Dr. Straßers Hufbearbeitung zu invasiv für den Huf ist. Meine Pferde waren für 1 1/2 Jahre nicht reitbar, wie die Pferde von Freunden, die den Kurs mit mir gemacht hatten, ..." ("Meine Geschichte" zitiert nach www.arianereaves.de). Von diesen traumatischen Anfängen hat die amerikanische Barhufbewegung sich erst in den "Nullerjahren" durch strikte Abgrenzung erholt. Der Leitsatz des AANHCP lautet seitdem "Cause no harm. Respect the Healing Power of Nature", begleitet von einem Eid, in dem jeglicher das Wohlgefühl von Pferden beeinträchtigender Maßnahme abgeschworen wird. (vgl. www.aanhc.net "Oath")

Der Inbegriff des Naturhufs

Obwohl sich die NHC Practitioner darüber einig sind, dass jeder Huf individuell ist, haben sie sich auf ein Modell festgelegt, das ihnen als Inbegriff natürlicher Perfektion erscheint:

"Dies ist der Huf, den zu tragen jedes Pferd geboren wurde und der das Ziel ist, auf das wir unsere Hufe immer graduell hinarbeiten werden. ... Je näher ich Pferde darauf hinarbeite, desto gesünder und leistungsfähiger werden sie." (MNHCWfY S. 22 und 23) Dr. Ric Redden in Bezug auf Jaime Jackson: "Wir werden dieses Modell zum Industriestandard machen." (HOGNHC S. 316, eigene Übersetzung)

Aus diesem perfekt seiner rauhen Umgebung in den Wüsten, Trockentälern und Bergen des Great Basin angepassten Naturhuf soll abgeleitet werden, wie ein Huf aufgebaut ist, funktioniert und folglich der "Naturtrimm" aussehen muss.

Die Auffassungen über den Hufmechanismus, die Blutzirkulation und die Bodenparallelität des Hufbeins dienen bei NHC im wesentlichen als Argumentationshilfe gegen jeglichen Hufbeschlag und die sogenannte "Weide-Bearbeitung" (Majorie Smith zitiert nach www.arianereaves.de) durch Hufschmiede. Sie finden (anders als bei Dr. Straßer) keinen direkten Eingang in die Bearbeitungsanweisungen. Maßstab für die Trimmregeln ist ausschließlich die Hufform des Wildpferdes: "Das korrekte Aussehen, oder, genauer gesagt, die Struktur des natürlich geformten Hufs resultiert direkt aus dem Wildpferde-"Modell". ... NHC-Practitioners ahmen die Abnutzungsmuster der Füße von Wildpferden nach, die, im Gegenzug, die natürlichen Wachstumsmuster stimulieren. Diese Muster bringen den 'natürlich geformten' Huf hervor - der niemals einem Pferd aufgezwungen wird, da er im Einklang mit dem individuellen Erscheinungsbild und Temperament entwickelt wird." (Interview mit Jaime Jackson, www.aanhcp.net/home, eigene Übersetzung). "NHC-Practitioners bearbeiten jeden Huf in den Grenzen des individuellen Erscheinungsbilds und ahmen dabei den natürlichen Abrieb nach, den man im Land der Wildpferde sieht." (HOGNHC S. 79, eigene Übersetzung) Aufgabe des NHC-Practitioners ist es also, am konkreten Huf des Hauspferdes zu ermitteln, was diesen daran hindert, ein erfolgreicher Huf im Sinne des wild model zu werden. Aufgabe ist weiterhin, die Abnutzungskräfte der rauhen Natur zu imitieren und so die Natur im Hauspferdehuf zu veranlassen, einen Hochleistungsbarhuf zu entwickeln. Im Wortlaut der Leitprinzipien des AANHCP (Zitiert nach dem amerikanischen Wikipedia: Stichwort "Jaime Jackson", eigene Übersetzung):

"Belass das, was von Natur aus da sein soll. Nimm nur das weg, was sich in der Wildnis natürlich abnützen würde. Lass wachsen, was in der Natur da sein sollte, jedoch wegen unnatürlicher Kräfte nicht da ist. Ignoriere alle Pathologie."

Offizielle Trimmregeln des AANHCP

Das Ziel ist ein Huf, der rund, glatt, hart, klein und kurz ist, wie der zum Modell erkorene "Hochleistungshuf" der Mustangs. Um das zu erreichen, sehen die offiziellen Trimmregeln des AANHCP eine 6-Schritte-Methode nach vorausgehender Beurteilung vor, die ich im Folgenden darstelle und kommentiere.

Die Beurteilung bedient sich einer Messscheibe (dem Hoof Meter Reader), um Huflänge und Zehenwinkel zu erfassen, wobei zwischen Basiszehenlänge (BZL) und Heilungszehenlänge (HZL) und zwischen Basiszehenwinkel (BZW) und Heilungszehenwinkel (HZW) unterschieden wird.

1. Schritt: Kürzen der Zehenwand auf eine "Heilungszehenlänge" (HZL) von zunächst mindestens 8,25 cm. Dazu muss vorab überflüssige Sohle an der Zehenwand entfernt werden, die dem Kürzen im Weg ist. Bemerke: Dieses Kürzen wird nicht davon abhängig gemacht, ob überhaupt ein hebelnder Tragrand, instabile und ausgebrochene Wandanteile o.ä. vorliegen; die Notwendigkeit vedankt sich der Reflexion auf das Wildpferdemodell: "klein und kurz".

2.Schritt: Kürzen und Ausgleichen der Trachten auf das Niveau der harten Sohle. Bemerke:  Durch diese Maßnahme wird im Regelfall eine Stellungsänderung vorgenommen - zum einen der Huf im Regelfall flacher gestellt (Annäherung an die Bodenparallelität des Hufbeins), was u.a. die tiefe Beugesehne und den Komplex der Hufrolle vermehrt beansprucht. Zum anderen wird im Ausgleich der Trachten bei schiefen Hufen unmittelbar eine mediolaterale Veränderung bewirkt, die den Gelenken eine abrupte Stellungsänderung abverlangt.

3. Schritt: Herstellen der natürlichen Wandbreite. Ausgehend von einem als "natürlich" identifiziertem Wandanteil wird der Rest der Wand einheitlich auf eine gleiche Breite gebracht. Hintergrund ist die Vorstellung, dass natürlicherweise alle Wandanteile gleich breit seien (VGL: HOGNHC S. 51). Bemerke: Das ist zum einen physiologisch falsch, da die Zehe üblicherweise dickere Wandanteile produziert, da der hufinterne Aufhängungsapparat im vorderen Bereich am stärksten beansprucht wird (vgl. u.a. die Messungen von Tierarzt Gerhart Rössler in seiner Dissertation, Hannover 1940)). Hinzu kommt, dass schon durch den schrägeren Anschnitt der Hufwand im vorderen Bereich die Zehenwand, diese von unten betrachtet auch dicker wirkt. Wenn die Hufwand ringsum gleich dic genippert wird, wird sie deshalb vorne stärker ausgedünnt als an den Seiten.

Es ist auch huforthopädisch falsch, da nur mit einer differenzierten Gestaltung der Wanddicken ein gewünschter unterschiedlicher Abrieb gestaltet werden kann. Gerade bei schiefen Hufen ermöglicht man dem Pferd durch gezielten Einsatz unterschiedlicher Wanddicken peu à peu in eine balancierte Hufform hineinzulaufen.

4. Schritt: Entfernung übermäßigen Wachstums an der Außenwand. Hier wird die gesamte Hornwand von außen dünngeraspelt. Sie wird bis zu einer Höhe von 2/3 der Hornwand (das entspricht dem natürlichen Abrieb beim Mustanghuf, siehe HOGNHC S. 134). auf die mit dem Nipper vorgegebene Wanddicke gebracht. Bemerke: Das scheint zum einen nur die notwendige Fortsetzung von Schritt drei, hat aber auch einfach einen rein optischen Charakter, da das Formziel ja "rund und glatt" ist.

5. Schritt: Herstellung der "mustang roll", die wohl berühmteste und sinnloseste Maßnahme der amerikanischen Barhufbearbeitung. Dazu wird die in den Schritten drei und vier schon ausgedünnte Wand in einem Winkel zwischen 15° (an vormals schon dünnen Wandanteilen) und 45° (an der Zehe) bis auf die "Wasserlinie" abgetragen, den inneren, unpigmentierten Bereich der Hufwand, der sich an die Blättchenschicht anschließt. "Natürlich ist die mustang roll ein Standardelement des NHC-Programms. Sie ist ein extrem wichtiger Teil des Bearbeitungsprozesses, da sie Ausbrüche verhindert, das Abrollen erleichtert, dem Mechanismus hilft, wesentlich für die Hufbalance ist und immens bei der Heilung von Hufspalten hilft. Und ich würde hinzufügen, dass die mustang roll ästhetisch zum Aussehen des natürlich geformten Hufs beiträgt." (HOGNHC S. 51, eigene Übersetzung) So auch Pete Ramey: "Sie macht die Hufe schön für's Auge und fördert den Prozess der Hornverdichtung." (MNHCWfY S. 72f, eigene Übersetzung) Darum muss die mustang roll abschließend mit Sandpapier gründlich berundet und geglättet werden. Bemerke: Es lassen sich viele nützliche Eigenschaften in eine mustang roll hineininterpretieren (u.a. "Entlastung der Außenwand, Förderung der Konkavität der Sohle) - das erste und letzte Argument bleibt aber, dass das von Jaime Jackson ausgewählte Hufmodell eine solche "Rolle" trägt. Deshalb darf sie auch nicht "bullnasig" sein, sondern ist "sanft und rund". Faktisch hat dabei nur der weichste, innerste Teil des Tragrands Bodenkontakt, weshalb er sich auf hartem Boden schnell abreibt und den kompletten Huf auf den Sohlenrandbereich setzt - natürlich eine prima Bedingung zur "Verdichtung"! Für Hauspferde mit untrainierten Füßen alles andere als komfortabel! Als einziger materieller Vorteil (neben der "Schönheit") bleibt eine gewisse Vorbeugung gegen Ausbrüche des Tragrands, da dadurch auch bei den durch "Anpassung der Trachten" flach gestellten Hufen die äußeren Röhrchen des Wandhorns keinen Bodenkontakt mehr haben. Diesen Effekt hätte man aber ohne Schwächung des Wandhorns und wesentlich sinnvoller durch Anlegen einer Rieddachstruktur erreichen können.

6. Schritt: Vollendung der Hufunterseite durch Raspeln und Sanden der Sohle. Dadurch soll die "Sohlenkonkavität" verfeinert werden und alle Angriffspunkte am Huf beseitigt werden. Bemerke: Trotz dem allerorten wiederholten Bekenntnis, dass NHC nicht die Herstellung eines Mustanghufs am Hauspferd sei ("Das 'wild model' ist keine Blaupause zur Wiederherstellung eines Hauspferdehufs..."  HOGNHC S. 269, eigene Übersetzung) sieht dieses Muster sehr danach aus. Das Ergebnis der "Umstellung" ist ein kurzer, runder, glatter Huf, dem es nur an ein paar entscheidenden zusätzlichen Eigenschaften fehlt, der Härte! Wand- und Sohlendicke! Die soll sich aber nach der hier vorgetragenen Lehre durch die per "Abriebmuster" angeregten Naturkräfte bilden.

Die Form macht's

Trotz teilweise sehr kontroverser Auffassungen über die innerlich und äußerlich am Huf wirkenden Naturgesetze ist sich die amerikanische Barhufbearbeitung in ihrer Orientierung an der ausgewählten Wildpferde-Hufform einig. "Kürzlich fanden sich verschiedene Barhuf-Lehrer aus den USA zusammen - alle lehren 'ihre eigene' Version des Wildpferde-Trim - und jeder bearbeitete einen Kadaverhuf. Als sie fertig waren, sahen die Hufe alle nahezu gleich aus; man konnte nicht feststellen, wer welchen Huf bearbeitet hatte." (Majorie Smith, Wo wir jetzt stehen /Januar 2009/ zitiert nach www.arianereaves.de).

Aus dem ursprünglichen "es geht!" per Hinweis auf die Barfüssigkeit der Wildpferde wurde im Laufe der Entwicklung die Behauptung, wenn per Hufbearbeitung die Abriebimpulse des Wildpferdes nachgeahmt würden, würden die inneren Strukturen einen angepassten Hochleistungshuf hervorbringen: kurz, rund, glatt und hart. Die Orientierung an der Form des Wildpferdehufs würde die unterstellte Qualität dieses Hufs erzeugen.

Dieses Programm geht nicht auf. Die monatliche Imitation des Abriebs, wie er in rauher Natur stattfindet, ist nicht dasselbe, wie die tatsächliche tägliche Benutzung der Hufe von Kindesbeinen an in solchem Terrain, die - wenn alles gut geht - den angestrebten Naturhuf formt. Vermutlich könnten einige Hauspferde, in jungen Jahren in solche Natur entlassen, einen kongenialen Huf entwickeln. Nicht aber unter ihren sonstigen wirklichen Lebensumständen. Diese Lebensumstände und die individuelle Konstitution erfordern einen anders geformten Huf, der zur körperlichen Entwicklung, den Haltungsbedingungen und der Nutzung des Pferdes passt. Aufgabe des Hufbearbeiters sollte es jenseits aller Idealvorstellung sein, aus den konkreten Benutzungspuren zu erkennen, welchen Huf das Pferd in seiner konkreten Lebenssituation entwickeln will und wie man ihm dazu verhelfen kann, wodurch man den Laufkomfort erhöht. Das schließt keinesfalls aus, parallel dazu eine Verbesserung dieser Lebenssituation zu fordern, wenn sie nicht pferdegerecht ist.

Die Affinität des wild model zum Hufschuh

Ausgangspunkt der amerikanischen Barhufbewegung war die Leistungsfähigkeit des Barhufs, die durch falsche Hufbearbeitung verloren geht. Trotz des sich hinter allen Erfolgsmeldungen abzeichnenden Scheiterns des Grundkonzepts - dem Hauspferd seinen angepassten Modellhuf herbeizuarbeiten - halten die NHC-Practitoners am Programm fest und entwickeln gleichzeitig parallele Lösungen. Sie werden zu den größten Anhängern der modernsten Form des Hufschutzes, dem Hufschuh. "Hufschuhe, und damit meine ich 'Reitschuhe' im Unterschied zu medizinischen Schuhen, sind ein Gottesgeschenk für die Barhufbewegung." (HOGNHC S. 197, eigene Übersetzung) "Kommen wir zu meiner Art die Situation zu meistern: Die größte Hilfe sind Hufschuhe mit Schaumeinlagen." (Die Trachtenhöhe der Entscheidungsfaktor, Pete Ramey nach der Übersetzung von www.arabisches-halbblut.de) Es gibt keine andere Hufschule, die derart intensiv für Hufschuhe wirbt und Anpassung und Vertrieb zum Teil ihres Programms macht. Zwar wird das Thema inhaltlich immer zusammen mit der Darstellung der Umstellungsproblematik vom beschlagenen zum Bar-Huf verhandelt, aber das Ausmaß des Angebots verweist auf eine weitergehende Affinität dieser so naturbezogenen Bearbeitungsweise zum Hufschuh. "Der Verwendung von Hufschuhen kommt bei Natural Hoofcare eine besondere Bedeutung zu. In erster Linie sind sie ein therapeutisches Hilfsmittel, um eine unphysiologische Fußung zu korrigieren oder vor Bodeneinflüssen (sic!) zu schützen. So ist es fast immer möglich, Pferden mit Problemhufen sofort Erleichterung zu verschaffen und ihnen die Freude am Laufen wieder zu geben." (www.naturhuf.com Ausbildungsprogramm S. 3) Da der NHC-Huf ohne angepasste innere Strukturen grundsätzlich kurz gehalten wird, ist er abriebintensiven Nutzungen oder auch dem Wechsel zwischen weicher Koppel und harten Ausrittgelände eben sehr oft nicht gewachsen.

Paddock paradise

Dass die amerikanische Barhufbearbeitung das Pferd von hinten aufzäumt, zeigt die gleichnamige jüngste Veröffentlichung von Jaime Jackson: "Der Aufruf zu Paddock Paradise ist dringend! Naturhufpfleger haben auf die harte Art und Weise erfahren, dass unnatürliche Pferdehaltungspraktiken (z.B. Gefangenschaft, grüne Weiden und unnatürliche Ernährung) unsere Bemühungen untergraben, gesunde und natürlich geformte Hufe zu bilden und zu stimulieren." (Paddock Paradise, Jaime Jackson 2006 und auf Deutsch 2009 S. 11) "Mit der Zeit begann ich zu verstehen, dass natürliche Abnutzung nur durch natürliches Verhalten, wie wir es in der Wildnis und nur sehr selten unter domestizierten Pferden sehen, entstehen kann und zu einem geringen Ausmaß auch durch Einwirkung der Umgebung." (ebenda S. 55) Um zu wirken muss natural hoof care folglich mit einem Haltungssystem kombiniert werden, das das Zugverhalten der Wildpferde nachahmbar macht. Ohne mich über die Praktikabilität dieser Haltungsform auszulassen (Darstellung derselbigen in Kapitel 3, ebenda S. 66ff), weise ich nur auf das Zirkelhafte dieser Methode hin: Ausgehend von der Behauptung, man müsse nur mit Hilfe der "wilden" Abriebmuster der Natur dem Hauspferdehuf auf die Beine helfen, landet die Methode bei dem Ergebnis, dass Bedingung ihres Wirkens eine Pferdehaltung ist, die das Wildpferdeleben simuliert. "Ich prophezeihe, dass der Natural Hoof Care Practitioner der Zukunft weniger ein Trimmer sein wird, als ein Diagnostiker von gesunden Veränderungen am Huf und ein Experte im Kreieren von natürlichen Verhaltensanreizen auf dem Track, die dem Adaptionsmechanismus dienen." (ebenda S. 118)

Resümée

Das deutliche Bekenntnis zur "soundness", zur Lahmfreiheit als absolute Grundbedingung für die Arbeit am Huf (und auch die Kritik an unnatürlichen Haltungsbedingungen) ist eine sehr sympatische Seite an NHC. "Jede Bearbeitungsmethode, die vorschreibt, Pferde in einer Weise zu trimmen, dass sie nach der Bearbeitung weniger angenehm laufen als vorher, ist in sich falsch." (MNHCWfY S. 55, eigene Übersetzung) Leider meint die amerikanische Bearbeitungsmethode aber, für ihre Methode nicht auf die Orientierung an einem Erfolgsmodell der Natur verzichten zu können. Und trotz aller Bekenntnisse zur Individualität jeden Hufs (" Die unterschiedlichen Geländeformen erzeugen komplett andere Hufformen, die dieselbe Funktion ausüben." Pete Ramey: 'Ein Huf für alle Jahreszeiten' in der Übersetzung von www.arabisches-halbblut.de) setzt die unbedingte Orientierung am Wildpferdemodell einen Standard, der die Bearbeitung schematisch werden lässt. "Lerne zu beobachten, wie der Huf auf Deine Bearbeitung reagiert. Wenn die Antwort nicht gut ist, d.h. der fertige Huf substantiell vom Wildhufmodell abweicht, musst Du noch einmal von vorne anfangen und Dein Verständnis der grundsätzlichen Bearbeitungsprinzipien und der Empfehlungen dieses Führers überdenken und entsprechende Anpassungen vornehmen." (HOGNHC S. 11, eigene Übersetzung) Der Hype, den diese Bearbeitungsart derzeit erlebt, stört sich an solchem Widerspruch und seinen Folgen für den Pferdehuf in keiner Weise. Hauptsache: "Die Methodik von Natural Hoof Care hört sich gut an..." (Pete Ramey: Die Politik der Hufpflege' in der Übersetzung von www.arabisches-halbblut.de) und "happily the natural trim is easy to do ..." (HOGNHC S. 19), was sich in den Bearbeitungshinweisen für Laien auf Hunderten von Webseiten widerspiegelt.

Die Konsequenz solcher Bearbeitung - soweit professionell ausgeführt - sind weitestgehend uniform gestaltete Hufe, deren Nutzbarkeitsdefizite in großem Maßstab den Einsatz von Hufschuhen verlangen und - wenn das nicht reicht - die Gestaltung einer Wildnis für die Pferdehaltung, also letztlich die Anpassung des Terrains an den schon vorab dafür geformten Huf