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Der Hufmechanismus - Die Quintessenz der Biomechanik des Pferdehufes? (Konstanze Rasch)

Dieser Artikel ist Bestandteil der Tagungsmappe der 9. Huftagung der DHG e.v. Die Tagungsmappe (70 Seiten & 3 A3 Poster) kann zum Preis von 15 Euro bei uns bestellt werden. Unter dem Titel "Multikulti Huf" stellen sich in dieser Tagungsmappe unterschiedliche Hufbearbeitungsrichtungen vor.

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„Seit dem Anfange dieses Jahrhunderts weiß man, daß der Huf kein in seiner Form beständiger Körpertheil ist, denn je nachdem der Huf eines Pferdes vollständig entlastet ist oder die ganze Körperlast zu tragen hat, ändert sich nicht allein die Lage der von der Hornkapsel eingeschlossenen Theile, sondern auch die Form der Hornkapsel selbst.“ (LUNGWITZ 1883: 4)

1 Geschichtlicher Überblick[1]

Die erste schriftliche Erwähnung findet die Elastizität des Pferdehufes im Jahr 1754. Der Franzose Etienne Guillaume LAFOSSE, der auch als Wegbereiter einer modernen Veterinäranatomie gilt, beschrieb zu dieser Zeit erstmalig die Formveränderungen der Hornkapsel bei der Belastung durch das Pferdegewicht. Er führte die beobachteten Formveränderungen am Huf auf die Elastizität des Hornes zurück.

Mehr als ein halbes Jahrhundert später wird diese Thematik von dem Engländer Bracy CLARK (1810) wieder aufgenommen und findet von nun an schnell Eingang in die mittlerweile aufblühenden Wissenschaften von Tiermedizin und Hufkunde. CLARK vertrat die Meinung, dass der Huf seine elastische Qualität vor allem durch seinen funktionalen Aufbau aus Wand, Sohle und Strahl gewinnt. Anders als LAFOSSE legte er der Abflachung des Sohlengewölbes und einer, die Trachtenwände auseinander treibenden Wirkung des mit Bodengegendruck beaufschlagten Strahles eine große Bedeutung bei. Er formulierte entsprechende Bearbeitungsrichtlinien am Huf, die bspw. das gründliche „Auswirken“ der Hufsohle beinhalteten.

Knapp 40 Jahre später fanden die ersten praktischen Versuche und Messungen zur Klärung der Frage nach den Bewegungen des Hornschuhs statt. Als erster Forscher untersuchte GLOAG (1849) die Formveränderungen an lebenden und toten Hufen. Er kam zu dem Schluss, dass, anders als von CLARK angenommen, unter Belastung keine Trachtenerweiterung und keine Sohlensenkung, sondern lediglich eine schwache Senkung der Ballen und des Strahles stattfindet. REEVE (1850) bewies mit seinen Messungen kaum ein Jahr später das Gegenteil. Er fand Sohlensenkung und seitliche Ausdehnung des Tragrandes. Für seine Untersuchungen verwendete er lebende Pferde und ein Hufeisen, welches mit Querstegen ausgestattet war, auf denen zur Sohle hin ausgerichteten Spitzen angebracht waren. Im Trab und Galopp hinterließen diese Spitzen Abdrücke in der Hufsohle und bewiesen somit, dass sich die Sohle bei Belastung des Hufes gesenkt hatte. In ähnlicher Weise verfuhr er zum Nachweis der Wandbewegungen. Untermauert wurden diese Ergebnisse in den Folgejahren von Henri Marie BOULEY (1851) und William MILES (1852).

August Gottlob Theodor LEISERING und Heinrich Moritz HARTMANN begannen ein Jahrzehnt später mit der Durchführung eigener Untersuchungen an toten und lebenden Hufen. Sie verwendeten dafür einen „Tastzirkel”, den sie an definierten Stellen der Hornwände und Sohlen anlegten. Die Ergebnisse waren zum Teil widersprüchlich, sprachen insgesamt aber für eine Erweiterung der Trachtenwände im Kron- (2-4 mm) und Tragrandbereich (2-3 mm) sowie im Seitenwandbereich für eine Verengung im Kronrand (1-2 mm) und eine gleichgroße Erweiterung im Tragrand (1-2 mm). An den Hufsohlen wiesen sie eine Abflachung unter Belastung nach, wobei sich die Sohlenäste mehr senkten (1,5 mm) als die übrigen Sohlenbereiche. Leisering unterschied in der Folge einen verengenden Hufbein- und einen erweiternden Strahlbeinmechanismus, die gemeinsam die Bewegungen der Hornkapsel ausmachen. Diese Ansichten zum Hufmechanismus setzten sich durch und genossen in der Folgezeit uneingeschränkte und allgemeine Anerkennung.

Niemand wagte „an der Richtigkeit dieser Vorgänge zu zweifeln. Da auf einmal kam wie ein Blitzstrahl aus hellem Himmel eine neue Lehre über den Hufmechanismus auf die Bildfläche.“ (LUNGWITZ 1883: 5) Der Wiener Professor Jakob LECHNER trat im Jahr 1881 den bis dahin gültigen Ansichten zum Hufmechanismus mit einer neuen Theorie entgegen. Er hatte eigene experimentelle Untersuchungen an Hufpräparaten vorgenommen und war zu der Erkenntnis gekommen, dass die bisherigen Erweiterungstheorien grundlegend falsch seien. Diese bisher gültigen, irrigen Annahmen zum Hufmechanismus standen seiner Ansicht nach vor allem auch einer besseren Ausführung des Hufbeschlags im Wege. LECHNER stellte der anerkannten Erweiterungstheorie seine „Rotationstheorie entgegen, die besagte, dass der Huf sich im Augenblick der stärksten Belastung zwar in der Krone erweitere, sich aber zeitgleich in den Trachtentragrändern und Eckstrebenwinkeln zusammenziehe. Bei der auf die Belastung folgenden Entlastung des Hufes wird umgekehrt der Kronrand verengert bzw. eingezwängt, während der Tragrand nach außen bis zum Huf-Ruhepunkt bzw. Gleichgewichtszustand „zurückrotiert“. LECHNER widerspricht darüber hinaus auch der Theorie einer Abflachung der Sohle und behauptet stattdessen, dass die Sohlenäste bei Belastung durch den Zug der tiefen Beugesehne angehoben werden. Die neue Lechnersche Theorie zum Hufmechanismus gab den Auftakt und Anlass zu zahlreichen neuen Untersuchungen, welche die Rotationstheorie zum Teil mit den eigenen Ergebnissen stützten (GIERTH 1882 und DOMINIK 1889/90), sie mehrheitlich aber widerlegten (LUNGWITZ, A. und SCHAAF 1882, LUNGWITZ, A. 1882 und 1890, BAYER 1882, MARTINAK 1882, STEGLICH 1883, FÖHRINGER 1889, SCHWENTZKY 1890).

Über mehrere Jahrzehnte wurden nun lebhafte Debatten zum Wesen des Hufmechanismus geführt. Immer wieder wurden neue Untersuchungen initiiert, die Licht in das Bewegungsgeheimnis des Pferdehufes bringen sollten und oft mit neuen, den Vorgängeruntersuchungen widersprechenden Ergebnissen aufwarteten. Zahlreiche Schriften erschienen und das Thema Hufmechanismus bzw. Hufmechanik (beides wurde früher synonym verwendet) füllte in starkem Maße die Seiten der neu gegründeten Fachzeitschriften „Der Hufschmied“ und „Zeitschrift für Veterinärkunde“. Es herrschte keine Einigkeit darüber, welche Formveränderungen der Huf bei Be- und Entlastung ausführt. Einig war man sich nur darin, dass die Berücksichtigung der hufmechanischen Gesetzmäßigkeiten von entscheidender Bedeutung für den Hufbeschlag und die Gesunderhaltung des Pferdes ist.

„Der Kernpunkt, auf den es beim Hufbeschlag ankommt, ist, alles zu vermeiden, was den Hufmechanismus schwächt oder aufhebt.“ (LEISERING; HARTMANN 1893: 157)

„Besonders wichtig für den Hufbeschlag ist die exakte Kenntnis des Hufmechanismus; nur damit ist es möglich, die Dienstbrauchbarkeit der Pferde zu erhalten, allen Formveränderungen, Hufleiden etc. rechtzeitig und wirksam entgegentreten zu können.“ (WALTHER 1906: 481)

Während LEISERING und HARTMANN gemeinsam mit vielen anderen Veterinären ihrer Zeit die Meinung vertraten, dass der ungestörte Hufmechanismus in einer Erweiterung der Trachtenregion läge und diese Erweiterung durch den Beschlag möglichst nicht behindert werden dürfe, vertrat WALTHER neben LECHNER, GIERTH, DOMINIK und EBERLEIN die Ansicht, dass sich der Huf im Trachtentragrand bei Belastung verengere. Folgerichtig sah WALTHER deshalb nicht in einem gestörten, sondern gerade in einem übermäßigen Hufmechanismus die Ursache für die Entstehung von Zwanghufen (WALTHER 1906: 490).

Im Folgenden eine knapp gefasste tabellarische Übersicht über die vielzähligen Untersuchungen zum Hufmechanismus im 19./20. Jahrhundert:

Untersucher

Methode

Hufe

Ergebnisse, bei Belastung ...

Gloag 1849

Abdruckmethode/ Wachseinlage

lebende und tote

 
  • keine Trachtenerweiterung
  • keine Sohlensenkung
 

Reeve 1850

Abdruckmethode/ Eggen-Eisen

(Stifte auf Stegeisen)

lebende, alle Gänge

 
  • Tragranderweiterung
  • Sohlensenkung
 

Bouley 1851

Erweiterungsmessmethode (im folgenden EM)

lebende und tote

 
  • Tragranderweiterung
  • Sohlensenkung
 

Miles 1852

EM/Tragrandumfang auf Papier nachgez., un- vs. belastet

lebende,

im Stand

 
  • Tragranderweiterung im gesamten Umfang
 

Leisering; Hartmann 1870

punktuelle EM/Tasterzirkel

lebende und tote,

im Stand

 
  • Tragranderweiterung in Trachten- und Seitenwänden
  • Erweit. d. Krone i. Trachten- u. Vereng. i. Seitenbereich
  • Sohlensenkung, besonders in den Sohlenästen
 

Lechner 1981

Schnitte von Hufpräparaten mit Stiftfixierung

tote

 
  • Tragrandverengung und Kronranderweiterung (Rotationstheorie)
 

A. Lungwitz; Schaaf 1882

EM/Hufektasimeter

lebende, im Stand, alle Gänge

 
  • Trag- und Kronranderweiterung im Trachtenbereich
 
  • Tragranderweiterung nimmt zu mit schnellerer Gangart
 
  • Vorderhufe erweitern sich mehr als Hinterhufe
 

A. Lungwitz 1882

EM/Zirkel, Kalibermaß, Schubleere und über die Ballen geklebte Papierstreifen

lebende

 
  • bestätigt die o.g. Ergebnisse
 
  • Tragranderweiterung besser bei unbeschlagenen Hufen, Bodenkontakt des Strahles u. geschmeidigem Hufhorn
 
  • auch bei eingezogenen Trachten stets Erweiterung, außer hinterster Abschnitts, der schiebt unter
 

Bayer 1882

akustische EM/

elektrischer Klingelapparat

lebende,

im Stand, alle Gänge

 
  • Trag- und Kronranderweiterung im Trachtenbereich
  • bei hochgradigem Zwanghuf Verengung des Tragrandes bei gleichzeitiger Kronranderweiterung
  • mehr Hufmechanismus nach 24h Angussverband
 

Gierth 1882

punktuelle EM/eigener Messapparat zum Nachweis der Hufrotation

lebende

 
  • im Trachtenbereich große Erweiterung am Kronrand u. keine bzw., wenn weiter hinten gemessen, stark verengende Tragrandbewegung
 

Martinak 1882

EM/Zirkel, Hebelmessgerät

lebende

 
  • Erweiterung der Ballen- und Tragrandpartie
 

Steglich 1883

eigene Messapparatur, welche die Mechanik der gesamten Gliedmaße nachahmte

tote

 
  • im Trachtenbereich stärkere Erweiterung der Krone (wg. Herabsinken d. Kronbeins zw. Hufknorpel) und schwächere Erweiterung des Tragrandes (durch Ausdehnung von Strahlkissen u. Strahl sowie durch Sohlensenkung)
 

Peters 1883

Schnitte von Hufpräparaten mit Stiftmarkern versehen

tote

 
  • Dehnbarkeit der Blättchenschicht lässt Hufbein um seine Spitze rotieren, sich senken (Depressionstheorie)
 
  • Hufwand wird durch Zug des Hufbeins verformt daraus folgt Trachtenerweiterung und Sohlensenkung
 
  • stärkste Formveränderungen bei Abstemmen
 

Föhringer 1889

akustische EM/ elektrischer Klingelapparat

lebende

 
  • im Trachtenbereich schwächere Erweiterung der Krone und stärkere Erweiterung des Tragrandes
 

A. Lungwitz 1890

akustische EM/ elektrischer Klingelapparat, weiterentwi-ckelt

lebende

 
  • Trachtenausdehnung u. Sohlensenkung
 
  • Vereng. d. vord. Hufhälfte u. Verminderung d. Hufhöhe
 
  • bei beschlagenen Hufen auch Verengung des Trachtentragrandes möglich
 

Schwentzky 1890

akustische EM/ elektrischer Klingelapparat, weiterentw.

lebende, im Stand

 
  • Erweit. d. Trachtentragrandes (außer bei 4 abnormen Hufen, von insg. 22 unters. Hufen) und Sohlensenkung
 

Dominik 1889

Hebeldruckmessapparat

tote

 
  • Tragrandverengung und Kronranderweiterung im Trachtenbereich
 

Dominik 1890

Eisen mit zum Tragrand gerichteten präparierten Hufnägeln

lebende, im Trab

 
  • stets Tragrandverengung im Trachtenbereich
 

Kösters 1903

akustische EM/ elektrischer Klingelapparat, weiterentw.

lebende, im Stand und Schritt

 
  • stets Erweit. i. Tragrand u. stärker i. Krone d. Trachten
  • Trachtenecken bewegen sich nach außen u. hinten
  • Zurückweichen der oberen Zehenwand
  • Erweiterung bis zu e. „indifferenten Linie“ (parallel zu Röhrchen, Überg. z Seitenwand) davor keine Bewegung,
 
  • kein Unterschied zw. Vorder- und Hinterhufen
 

Eberlein 1903

markiert Trachtenumfang., scharfkantige Trachtenkappen

lebende

 
  • Scheuerrinnen am Eisen liegen immer innerhalb d. unbelasteten Trachtentragrandes, dies beweist e. ausschließl. Einwärtsbewegung d. Trachten u. Lechners Rotationsth.
 

Richter 1905

EM/Zirkel, verschiedene Messapparate, u.a. weiterentw. Klingelapparat

lebende, im Stand

 
  • Verengung der vorderen und Erweiterung der hinteren Hufabschnitte, Sohlensenkung u. Hufhöhenabnahme
 
  • stärkste Formänderungen bei Durchtreten d. Fesselgel.
 
  • Formveränderung stärker bei unbeschlagenen Hufen, das auch, wenn der Beschlag den Strahl unterstützt
 
  • mehr Formveränderung bei Vorderhufen
 

M. Lungwitz 1907/1909

EM/ Hebelmessgerät u. elektr. Klingelapparat nach Bayer

lebende und tote, im Schritt

 
  • Sohlensenkung u. Zurückweichen d. oberen Zehenwand
  • im Trachtenbereich stärkere Erweiterung der Krone und schwächere Erweiterung des Tragrandes
 
  • Erweiterung fällt schwächer aus bei Beschlag (Strahl ohne Bodenkontakt) mitunter Trachtenverengung auf Beschlag; kräftiger Strahl fördert immer Erweiterung
  • Formveränderung am größten beim Abstemmen
 

Rudert 1921

punktuelle EM/Hebelmessgerät zur Sohlensenkung

lebende, Aufheben d. Partner-gliedmaße

 
  • Sohlensenkung, besonders in den hinteren Hufbereichen, insbesondere der Strahlschenkel
  • Sohle senkt sich mehr an Vorder- als an Hinterhufen
 

Habacher 1923

EM/Klingelapparat modifiziert mit optischem Signal

lebende, alle Gänge, Springen

 
  • im Trachtenbereich stärkere Erweiterung der Krone und schwächere Erweiterung des Tragrandes
  • Sohlensenkung u. Zurückweichen d. gesamten Zehenwand mit Ausnahme des untersten Zentimeters
  • indifferente Linie, nicht parallel zu Hornröhrchen
  • Formveränderungen nehmen zu mit Belastung/Geschw.
 

Akerblom 1930

EM/ Hebelmessgerät (Vorläufer des Mechano-Ungulographen)

lebende, alle Gänge, diff. Böden

 
  • erstmals fortlaufende Aufzeichnung der Bewegungen
  • eine einheitliche Form d. Hufbewegung gibt es nicht, sie wechselt individuell in hohem Grade
  • an unbeschlagenen, gesunden Hufen findet im Trachtenbereich eine stärkere Kron- als Trachtenbewegung statt
  • unterscheidet in interne und externe Hufbewegungen
 

Brunke 1931

EM/Hebelmessgerät mit Scherenarm u. Kurvenschreiber

lebende, alle Gänge, diff.Böden/ Beschläge

 
  • am Tragrand stets ausgeprägtere Erweiterung als an der Krone im Trachtenbereich
  • Bewegungen auf hartem Boden stärker als auf weichem
  • Hufeisen mit Einlage hemmen Hufmechanismus nicht
 

Scholz 1952

EM/Mechano-Ungulograph

lebende, im Schritt, differente Beschläge

 
  • Beschlag hemmt Tragrandbewegung und verstärkt Kronrandbewegung (Überfederung)
  • Stollen verstärken Trachtenbewegung, Seitenaufzüge hemmen Ausdehnung der Trachten
  • spitze Hufform zeigt mehr Kronenbewegung als stumpfe
 

Weber 1957

EM/Mechano-Ungulograph

lebende, im Schritt,diff. Hufform u. Beschläge

 
  • der Beschlag mit verschiedenen Hufeisen verändert die Bewegungen v. Krone u. Tragrand (Ausmaß u. Unruhe)
  • Auswirkungen unterscheiden sich je nach Hufform (eng, weit, diagonal ...) – Empfehlung für je geeignete Eisen
 

Knezevic 1962

EM/ Hufbelastungsgerät, Kleinmessuhr, Dehnmessstreifen

lebende und tote, alle Gänge

 
  • weitg. gleiche Ergebnisse bei lebenden u. toten Hufen
  • stete Verengung der Zehenkrone
  • Zehentragrand verengt (14x) oder erweitert (15x) sich
  • indiff. Linie 6x nachgewiesen, parallel zu Röhrchen
  • am Tragrand stets ausgeprägerte Erweiterung als an der Krone im Trachtenbereich
 
  • Hufbewegungen stärker bei Warmblut als bei Kaltblut
 

Mair 1973

Dehungsmessmethode/ Dehnmesstreifen

leb. u. tote, alle Gänge, diff. Böden, solo u. geritten

 
  • Sohlensenkung, bei lebenden Hufen größer
  • steigende Belastung führt zu größerer Erweiterung der Hornkapsel in Tragrandbereichen
  • Tragranderweiter. in Trachten stärker als in Dorsalwand
  • harter Boden verstärkt Bewegung
 

Nieschalk-Meier 1979

Dehungsmessmethode/ Dehnmesstreifen und hydraulische Presse

lebende und tote, alle Gänge, geritten

 
  • Stützbeinphase ist durch starke Stauchungen gekennzeichnet, verstärkt beim Abstemmen
  • keine Unterschiede zw. beschlagenen und unbeschlagenen, zw. Vorder- und Hinterhufen
  • keine Zunahme d. Bewegung m. Zunahme d. Belastung
 

Preuschoft 1981

Dehungsmessmethode/ Dehnmesstreifen und hydraulische Presse

lebende u. tote, alle Gänge, diff. Böden

 
  • oft keine Proportionalität zw. Belastung u. Verformung
  • stets Trachtenerweiterung
  • auch in Hangbeinphase aktive Formänderung (enger)
  • keine Unterschiede zw. Vorder- und Hinterhufen
 

Fischerleitner 1974

Hufbelastungsgerät, Messuhr u. Radiologie

tote

 
  • Hufbeinsenkung und negative Rotation bei Hufbelastung
  • hierdurch Zurückweichen der Zehenwand, Sohlensenkung, Trachtenerweiterung
 

Harders 1985

Reißlackmessung

lebende und tote

 
  • stärkere Rissbildung (Bewegung) an Vorderhufen u. unbeschlagenen Hufen (unabh. v. Strahl-Boden-Kontakt)
  • Rissbildung abhängig von Hufform
  • Abnahme der Rissbildung auf weichem Boden
  • keine indifferente Linie nachweisbar
 

Quellen: Tabelle erstellt nach HARDERS tabellarischer Zusammenfassung (1985: 26ff.) ergänzt um Informationen aus DOMINIK (1890), AKERBLOM (1930), WEBER (1957), FISCHERLEITNER (1975) und HENKE (1997).

Kaum ein Thema wurde in der Geschichte der aufblühenden Veterinärmedizin und Hufkunde so intensiv beforscht und so leidenschaftlich diskutiert, wie der Hufmechanismus. Die Formveränderungen des Pferdehufes unter Belastung waren Gegenstand heftiger Debatten, wozu die zum Teil recht widersprüchlichen Ergebnisse der Untersuchungen natürlich auch zusätzlich immer wieder ausreichend Anlass gaben.

Mit der Zeit hat sich zur Beschreibung der Bewegungen der Hornkapsel die „Erweiterungstheorie“ durchgesetzt. Letztere gilt heute als relativ unhinterfragt.

2 Aktueller Stand

Die elastische Verformung der Hornkapsel bei Be- und Entlastung wird heute wie früher als der Hufmechanismus erfasst. Die auftretenden Formveränderungen werden dabei auch in der heutigen Zeit im Sinne der Erweiterungstheorie beschrieben:

„Während der Stützbeinphase wird durch den Zug des Hufbeins am Hufbeinträger nach unten der korrespondierende Wandanteil nach unten gezogen. Da die Wand nur gering in Richtung der Hornröhrchen komprimierbar ist, neigt sie sich entsprechend ihrer Winkelung zum Boden um die Hufspitze herum nach hinten und unten. Diese Bewegung nach ’innen’ ist am Kronrand der Zehenwand am größten und beträgt dort bis zu 1,5 mm. Sie wird nach unten immer kleiner und verringert sich zum Tragrand hin gegen Null. ... Hinter der weitesten Stelle des Kronrands zeigt die Hornkapsel bei der Absenkung des Kronbeins eine Erweiterung, und der Kronrand der Trachtenwand sowie die Ballen bewegen sich nach außen. ... Durch die Drehbewegung des Hufbeins nach hinten-unten sowie die Abwärtsbewegung des Kronbeins senken sich die Sohle und der Strahl gegen den Boden und die Sohlenwölbung wird etwas flacher. Mit der Abflachung der Sohle geht auch eine Erweiterung des Tragrands hinter der weitesten Stelle des Hufs einher und der Trachtentragrand bewegt sich, wie der Trachtenkronrand, nach außen.“ (RUTHE et al. 2012: 143f.)

Es wird weiterhin zur Thematik der hufimmanenten Bewegungen geforscht, dies geschieht heute weitgehend mit neuen Methoden und zum Teil auch unter neuen Prämissen. Anwendung fanden hierbei in jüngster Zeit bspw. photoelastische Kunststoffe (DAVIES 1996, DEJARDIN 2001), Gefrierschnitte und histologische Methoden (HENKE 1997), die Finite-Elemente-Analyse (HINTERHOFER et al. 1997, THOMASON et al. 2002), die Computertomographie (APPELBAUM; BRAGULLA 1996, APPELBAUM 2001), kinematische Messsysteme und Infrarot-Hochfrequenzkameras (WEISSBACHER 2001) sowie Digitalfotografie (WOERGETTER 2003, HINTERHOFER et al. 2006).

Mit den neuen Methoden kann man die Ergebnisse der historischen Messungen zur Hufmechanik in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit reproduzieren, allerdings ist es noch immer so, dass man nicht in der Lage ist, das Zustandekommen dieser Unterschiede und Widersprüche zu erklären. Man findet einerseits die in der Literatur beschriebenen und zum Wesen des Hufmechanismus erklärten Auswärtsbewegungen der Trachten (COLLES 1989 zit. nach HENKE (1997: 86), VERSCHOOTEN et al. 1996, HENKE 1997), man findet aber auch, wie schon in den letzten Jahrhunderten, Einwärtsbewegungen der Trachten (WEISSBACHER 2001, WOERGETTER 2003, HINTERHOFER et al. 2006, WOERGETTER et al. 2006 zit. nach HINTERHOFER et al. 2006). HINTERHOFER et al. kommen bei der Untersuchung von Schlachtpferdehufen im Belastungsgerät zu dem Ergebnis, dass sich etwa 50 % der Hufe im Trachtenbereich einwärts, die übrigen auswärts bewegten (2006: 314). Auch in Bezug auf das Verhalten der Sohle unter Belastung gibt es widersprüchliche Forschungsergebnisse. Mit Hilfe des Finite-Elemente-Modells errechnet HINTERHOFER (1997) für den Barhuf eine leichte Anhebung der Sohle im palmaren Bereich. HENKE (1997), WEISSBACHER (2001) und HINTERHOFER et al. (2006) weisen in ihren Untersuchungen dagegen eine stetige Sohlensenkung im hinteren Hufbereich nach.

Alle Autoren weisen darauf hin, dass sie ausschließlich regelmäßige und gesunde Hufe für ihre Untersuchungen verwendet haben. Es gibt Versuche, die widersprüchlichen Ergebnisse mit der Methodik der Messungen zu erklären (APPELBAUM 2001), schlussendlich bleiben sie jedoch ungeklärt.

DAVIES et al. (2009) konstatieren, dass der Hufmechanismus noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht ist. Es gibt derzeit drei Theorien, die eine Erklärung dafür anbieten, warum die Trachten des Hufes sich unter Belastung weiten müssen (ebenda: 4). Die beiden geschichtlich überkommenen Theorien erklären die Trachtenausdehnung (a) mit dem Druck des Bodens auf den Strahl und das Hufkissen, welcher dazu führt, dass das Material im Inneren des Hufes die Hufwand nach außen drückt oder (b) in gegensätzlicher Position hierzu mit Hilfe der Depressionstheorie. Letztere besagt, dass die Rotation der Zehenglieder um die Hufbeinspitze (negative Rotation des Hufbeins) und das Absinken des Kronbeins (der „Königin des Hufmechanismus“  PETERS 1883: 5) zwischen die Hufknorpel die Wände im hinteren Hufbereich auseinander drückt. Neu hinzugekommen ist eine Theorie, die sich auf die Ergebnisse der Hufmechanismusforschung gründet, welche die Finite-Elemente-Analyse nutzte, um die Hufbewegungen im Modell der Hornkapsel sichtbar zu machen. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten kam man wiederholt zu dem Ergebnis, dass die Hornkapsel selbst dann, wenn sie ihres Innenlebens beraubt war, also die Berechnung nur auf Basis der Hornstrukturen des Hufes vorgenommen wurden, und auch dann, wenn kein Druck auf den Strahl ausgeübt wurde, nichtsdestotrotz eine entsprechende Hufmechanik mit Einsinken der oberen Zehenwand und Aufweitung des hinteren Hufbereiches zustande kam. Auf Basis dessen wurde aktuell eine dritte Theorie aufgestellt, dass (c) die Form der Hufkapsel selbst, ihre Hufwandgeometrie, zum Hufmechanismus führt (DAVIES et al. 2009: 4). Auch SMEDEGAARD; VINDRIIS (1995) kommen im Ergebnis ihrer Untersuchungen an Pferden im Trab zu der Feststellung, dass der Hufmechanismus eine Reaktion der Hornkapsel (Blattfedersystem) auf die Stoßkräfte des Bodens ist. HENKE (1997: 92) verweist darauf, dass die Eigenverformbarkeit der Hornkapsel als Grundlage des Hufmechanismus bereits im vergangenen Jahrhundert von NICKEL beschrieben wurde:

 „Zu einer Verformung ist die Hufkapsel als Ganzes nach NICKEL (1938) in der Lage, da der unterschiedliche Aufbau der Hufröhrchen dem Horn in den verschiedenen Bereichen die Fähigkeit verleiht, auf Druck, Biegung oder Zug unterschiedlich zu reagieren.“ (ebenda)

Nimmt man diese Feststellung zur Eigenverformbarkeit der Hornkapsel ernst, so wird erklärlich, weshalb die Hufmechanismusforschung in ihrer gesamten und lange währenden Geschichte immer wieder so widersprüchliche Ergebnisse zutage gefördert hat. Wenn dem tatsächlich so ist, dass Druck, Biegung und Zug die Hornröhrchen unterschiedlich reagieren lassen, dann ist auch leicht ersichtlich, warum sich die Mechanik der Hufe voneinander genauso unterscheidet, wie es die Formen der Hufe tun.

Dennoch hält man in der veterinärmedizinischen wie in der Hufliteratur daran fest, dass die beiden maßgeblichen Formveränderungen, die den Hufmechanismus kennzeichnen, „das horizontale Aufspreizen (die „Expansion“) der Trachten, die sich voneinander wegbewegen ..., und eine Konkavität bzw. Einwölbung der dorsalen Hufwand“ sind (DAVIES et al. 2009: 4).

Und auch heute wird dem Hufmechanismus eine große Rolle bei der Gesunderhaltung des Hufes zugeschrieben. Der Nutzen des Hufmechanismus gilt als klar erwiesen und wird heute wie früher folgendermaßen zusammengefasst:

„Der Nutzen des Hufmechanismus ist ein mehrseitiger. 1. wird durch ihn der Stoß gebrochen, der Rumpf sonach gegen die üblen Folgen der Prellungen und Erschütterungen geschützt. 2. Befördert der Hufmechanismus die Schnellkraft des ganzen Schenkels und trägt demnach viel zu dem leichten und eleganten Gange des Pferdes bei. 3. Wird durch den Hufmechanismus der Blutkreislauf in den Gefäßen der Huflederhaut lebhaft unterhalten, was wiederum ein reges Wachsthum des Hufhornes zur Folge hat.“ (LUNGWITZ 1883: 5)

bzw. in moderner Fassung:

„Der Hufmechanismus bzw. die Verformbarkeit des Hufs haben Bedeutung für verschiedene Aspekte der Pferdegesundheit. Als elastisches Element zwischen Boden und Hufbein übt er eine dämpfende Rolle bei der Fußung der Gliedmaße aus. Die Erschütterungen (Vibrationen) bei der Landung (impact) werden im Hornschuh sowie im Hufbeinträger gedämpft und erreichen nur zu einem geringen Teil das Hufbein bzw. die Zehengelenke. Dies ist ein wichtiger Schutz vor Überlastung der Gelenkknorpel und damit der Arthroseentstehung. Des Weiteren bewirkt die durch die Hufmechanik bedingte zyklische Kompression und Dekompression der inneren Hufanteile eine Unterstützung der Blutzirkulation, welche sich positiv auf Nährstoff- und Sauerstoffversorgung des Hufs auswirkt.“ (RUTHE et al. 2012: 143f.)

Wegen dieser positiven Leistungen für die Gesundheit von Huf und Pferd fordert man auch heute, in gleicher Weise wie früher, die Berücksichtigung des Hufmechanismus bei der Hufbearbeitung sowie beim Hufbeschlag.

3 Konsequenzen für die Hufbearbeitung

Die Theorien zum Hufmechanismus haben schon immer Folgen für die Hufbearbeitung gehabt. Mit der Entdeckung der Elastizität der Hornkapsel im 18. und ihrer näheren Erforschung im 19. Jahrhundert, begann man die gewonnenen Erkenntnisse in Vorschriften für die Hufbearbeitung und den Hufbeschlag umzusetzen. Seither gab und gibt es die verschiedensten Maßnahmen, die eigens zu dem Zweck unternommen wurden und werden, den Hufmechanismus zu bestärken bzw. wiederzuerwecken, so „er erschlafft ist“ (HANSLIAN 1932: 175). Bereits seit der Entdeckung der Elastizität des Pferdehufes suchte man nach Beschlagsformen, die der Beweglichkeit des Hufes Rechnung zollten und sie möglichst wenig behindern sollten.

CLARK, einer der ersten Theoretiker und Verfechter einer Erweiterungstheorie des Hufmechanismus konstruierte im Jahr 1836 im Rahmen seiner Beschlagsversuche ein „Stahltabletteisen“, das so beschaffen war, dass es im Zehenteil durch Nietnägel beweglich gehalten wurde. Durch diese scharnierartige Gestaltung des Eisens, konnten die Eisenschenkel den Auswärtsbewegungen der Hufwände folgen. Zur Freude seiner Gegner bewährte sich dieses Eisen nicht, da sich in der Praxis stets die Nieten am Zehenteil lockerten. Die Hornwände litten unter der Instabilität des Eisens so stark, dass sie regelmäßig zerbrachen (LEISERING/HARTMANN 1893: 17f.; LINGENS 2008: 27). CLARK warb auch intensiv für seine Ansicht, dass der Absenkung der Sohle für das Funktionieren des Hufmechanismus eine große Bedeutung beikomme. Er forderte eine Bearbeitung der Sohle bis zur Elastizität. Als Maßstab, „wie viel herauszunehmen sei, empfiehlt er ’das frische Aussehen der Sohle’ oder das ’Gefühl des Nachgebens der Sohle auf Daumendruck’ “ (KRAUSE 1926: 14). Auch MILES (1852) verlangt als Kernpunkt seiner Zubereitungsmethode für die ’sinkende und steigende’ Hufsohle volle Erhaltung ihrer Beweglichkeit“ und Beschneidung des Hornes „bis die Sohle dem starken Daumendruck etwas nachgibt“ (KRAUSE 1926: 19). In den folgenden Jahren überboten sich die Anhänger der Clarkschen Theorie mit ihren Maßnahmen zur Beförderung des Hufmechanismus. Mit „Erniedrigung der Trachten, Durchschneiden der Sohlenschenkel, starker Verdünnung der Eckstreben“ gingen sie daran, „das Ziel zu erreichen, ’daß der Huf sich unter der Last biegen könne wie die Zweige eines Weidenbaumes’ “ (PETERS 1883: 46).

Darüber hinaus wurde im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von Maßnahmen entwickelt, um den geschwächten Hufmechanismus „kranker“ Hufe wieder zu erwecken. So wurden die Trachten nieder geschnitten, bis der verkümmerte Strahl den Boden berührte, oder man versuchte durch das Schneiden von Rinnen im Trachten- oder auch im Eckstrebenbereich sowie durch das Dünnraspeln der Trachtenwände den Hufmechanismus enger Hufe zu aktivieren. Spezielle Trachtenerweiterungseisen wie bspw. Beschläge mit Eckstrebenaufzügen wurden gefertigt und angebracht, um den Huf im hinteren Bereich auseinander zu zwingen.

Es gab zahlreiche, speziell für den Zweck Trachtendehnung entwickelte Erweiterungseisen und auch einige andere unschöne Methoden, wie bspw. Dilatoren (Erweiterungsschrauben), um Hufe, die für zu eng befunden wurden, gewaltsam zu erweitern. Einige dieser Maßnahmen waren schon damals stark umstritten und sind mittlerweile als nicht empfehlenswert zu den Akten gelegt. Bis heute gehalten haben sich in erster Linie die Anwendung von Eisen mit nach außen abfallenden Tragflächen sowie die Verwendung von geschlossenen Eisen mit Einlagen, zur Erzeugung eines Bodendrucks auf den Hornstrahl. Und auch in der heutigen Zeit gilt allgemein die Ansicht, dass der Beschlag den Hufmechanismus nicht behindern soll - von bestimmten Ausnahmen im Erkrankungsfall einmal abgesehen (bspw. bei Hufbeinfraktur, Hufknorpelverknöcherung, Hornspalt).

Einige Barhufbearbeiter, die ebenfalls der Erweiterungstheorie anhängen, machen den Hufmechanismus zu einem prinzipiellen Argument gegen das Beschlagen. Man beruft sich auf die beiderseits geteilte Anerkennung der Nützlichkeit der Trachtenerweiterung und verweist darauf, dass diese auch beim besten Beschlag nicht in dem Maße stattfinden kann, wie beim Barhuf. Von Seiten des Hufbeschlags wird dieses Argument mit Verweis auf die vorschriftsmäßige Ausführung (die Nägel sitzen nur im vorderen Hufbereich), auf die eigenen Beobachtungen (Scheuerstellen auf dem Eisen) und auf jahrelange praktische Erfahrungen (es ist nicht so, das alle Hufe enger werden, wenn sie längere Zeit beschlagen sind) zurückgewiesen.

Bei einigen strikten Gegnern des Eisenbeschlages hat sich die Idee der nutzbringenden Trachtenerweiterung indes derart verselbständigt, dass die Hufbearbeitung völlig in den Dienst dieser Aufgabe gestellt wird. Der Huf wird von diesen Barhufbearbeitern explizit mit dem Ziel beschnitten, eine möglichst maximale Trachtenerweiterung zu erreichen. Maßnahmen, die hierzu dienen sollen, ähneln denen des 19. Jahrhunderts: Die Hufe werden im Trachtenbereich gekürzt (in diesem Fall stets auf eine in cm bemessene, definierte Höhe), die Trachtenendkanten werden entfernt (Trachten öffnen) und Eckstrebenwände und Hufsohlen werden im hinteren Hufbereich sehr stark beschnitten (nicht selten bis zum Blutaustritt). Man möchte mit diesen Bearbeitungsmaximen die positiven Wirkungen des Hufmechanismus – Stoßdämpfung, Durchblutung, Hornwachstum und Hornqualität - möglichst umfänglich herstellen. Umso mehr Hufmechanismus, so die Sichtweise, umso mehr Gesundheit für den Huf.

Für alle Hufe, die dem Idealbild eines trachtenweiten, ballenniedrigen Hufes nicht bereits entsprechen, ist diese Bearbeitung eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Die starke Beschneidung des Hufes, mit dem Ziel der Herstellung und Verstärkung des Hufmechanismus, hinterlässt deshalb sehr häufig lahmende Pferde.

Solche Erfahrungen, nämlich dass Pferde schlecht laufen, wenn man versucht ihnen einen Hufmechanismus aufzuzwingen - sei es mit speziellen Beschlagstechniken oder durch spezielle Ausschneidmethoden - mögen dazu beigetragen haben, dass sich stellenweise auch eine gewisse „Gegnerschaft“ zum Hufmechanismus ausgebildet hat. So wendete sich schon in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts Prof. Alois HANSLIAN gegen die aus seiner Sicht übergroße Bedeutung, die dem Hufmechanismus für die Gesunderhaltung der Hufe zugesprochen wird. Er verweist auf seine Untersuchungen und Beschlagsversuche, in denen er unter anderem Pferde zwei Jahr lang beschlagen ließ, wobei bis in die Trachtenpartien genagelt wurde. Laut HANSLIAN traten an den Hufen keine Veränderungen durch diese gezielt vorgenommene „Störung des Hufmechanismus“ auf (1932: 175).

TULETZKI-GERSTENBERG geht noch einen Schritt weiter. Für ihn stellt der erweiternde Hufmechanismus keine positive und natürlich vorkommende Eigenschaft des Pferdehufes dar, sondern hat vielmehr die Qualität einer „Hufdeformation“, die bei geschädigten Hufen auftritt. Er beobachtete, dass der Hufmechanismus sprich die Sohlenabsenkung und Trachtenweitung bei Hufen „umso stärker ausgeprägt ist, je schwächer die Hornkapsel ist”. Er stellte sich daraufhin die Frage, ob tatsächlich

„ein ausgeprägter Hufmechanismus nützlich und wünschenswert sein (kann), wenn er bei einer gesunden und stabilen Hornkapsel geringer ausgeprägt ist als bei einer geschwächten“ (2005: 15).

Diese Frage ist in meinen Augen durchaus berechtigt. In der Tat ist es nicht leicht einsichtig, dass es der Gesundheit des Pferdehufes dienlich ist, einen Hufmechanismus zu fördern, der die Schwäche der Hornkapsel voraussetzt. Immer wieder finden sich in der Geschichte der Hufbearbeitung Vorschriften zum Beschneiden der Sohle mit dem Ziel, die Sohle elastisch zu machen und ein Sohlengewölbe herzustellen, um hierdurch den Hufmechanismus zu fördern. Messungen zur Bewegung der Hornsohle bei der Belastung zeigen, dass es neben anderem sehr stark von der Dicke und Festigkeit der Sohle abhängt, ob und in welchem Maße sich diese bei der Belastung durch das auf ihr lastende Pferdegewicht senkt (RUDERT 1921). Stabsveterinär STARK und Oberfahnenschmied GUTHER stellten wegen einschlägiger Erfahrungen mit der Praxis der „Sohlenauswirkerei“ im Jahr 1917 in ihrer Schrift „Neue Bahnen im Hufbeschlag“ die Forderung auf, die Sohle beim Beschlagen des Pferdes nicht mehr zu beschneiden und die Sohle stark und kräftig zu belassen. Sie handelten sich damit von allen Seiten den vehement vorgebrachten Vorwurf ein, dass sie mit ihrer Methode den Hufmechanismus schwächen würden. Der Entgegnung von STARK, dass der Hufmechanismus im hinteren Hufbereich hierbei mitnichten behindert werde, entnehmen seine Kritiker: „er gibt also indirekt zu, daß dies in den vorderen Teilen der Fall ist“ (RUDERT 1921: 59). Der STARKschen Entgegnung kann man im Weiteren aber auch entnehmen, dass auch er selbst letztlich ein Anhänger des Hufmechanismus war. Mehr Sohlenbewegung wird im Zusammenhang mit und letztlich wegen des positiv besetzten Begriffes Hufmechanismus für nützlich und erstrebenswert gehalten. Und da der Hornreichtum der Sohle deren Bewegungen augenscheinlich einschränkt, schränkt dieser Hornreichtum natürlich den als Trachtenerweiterung und Sohlenabsenkung definierten Hufmechanismus ein. Einen Huf jedoch so zu bearbeiten, dass die Sohle beweglicher wird, macht ihn um einiges empfindlicher und es schwächt den Fuß des Pferdes, statt ihn zu stärken. Gleiches gilt für die Bearbeitung der Trachten- und hinteren Seitenwände. Sie mit dem Vorsatz einer möglichst großen Erweiterungsfähigkeit zu verkürzen oder instabil zu gestalten, heißt, die Hornkapsel in ihrer Schutz und Tragefunktion zu schwächen und den Fuß des Pferdes damit zu schädigen.

TULETZKI-GERSTENBERG setzt dem bislang gültigen Hufmechanismus einen anderen, eigentlichen Hufmechanismus entgegen. Seiner Ansicht nach sorgt der Pressdruck des Bodens auf Sohle, Strahl und Hufpolster für optimale Durchblutung und Stoßdämpfung. Dafür ist eine volle, tragende Sohle und ein kräftiger Strahl nötig und wenn der Huf durch einen Beschlag auf den Tragrand verpflichtet sein sollte, dann sind spezielle Einlagen zu verwenden. Anstatt in der Hornkapsel zu hängen, sollte das Hufbein vielmehr von unten getragen werden (2005: 36).

Dass die Sohle nicht dazu geeignet ist, einem dauerhaften Bodengegendruck ausgesetzt zu sein, zeigen bspw. die Untersuchungen von LINFORD (1987) und HAMPSON (2011).

Darüber hinaus ist es wenig sinnvoll, eine fehlerhafte Abstraktion durch eine neue fehlerhafte Abstraktion zu ersetzen. Der Fehler liegt, wie ich meine, im einen (Trachtenerweiterung) wie im anderen Fall (Sohlendruck und Hufpolsterkompression) in der Verabsolutierung einer Bewegung des Hufes zu der Bewegung des Hufes. Immer ist es dann der Hufmechanismus - welche Lesart man ihm auch gibt - der die Vorschriften für die Hufbearbeitung erlässt.

4 Kritische Betrachtung

Im Zeichen der Förderung des Hufmechanismus werden Hufe korrigiert und umgestaltet. Man sollte jedoch m. E. dringend damit aufhören, die Hufe von Pferden umgestalten und in ideale Formen schneiden zu wollen! Besser wäre es zum Wohle der Huf- und Pferdegesundheit zu akzeptieren, dass es verschiedene (Lebens)Formen und Facetten des Pferdehufes gibt. Je nach vorherrschenden, konkreten Bedingungen – den Bedingungen, die das Pferd mitbringt und den Bedingungen, in welchen es lebt - sind die Momente der Beweglichkeit innerhalb der Hornkapsel verteilt und die Hufbewegungen gestalten sich aus diesem Grunde unterschiedlich.

Die Begriffe Hufmechanik und Hufmechanismus erfassen in ihrer heute gültigen Definition nur einen Ausschnitt der Realität. Die Hufe der einzelnen Pferde zeigen die im Hufmechanismus herausgestellten Bewegungen – heute namentlich die Erweiterung im Bereich der Trachtenwände, die Absenkung von Sohle und Strahl im hinteren Hufbereich und die Verengerung der Zehenwand im oberen Drittel – nur als ein Moment neben vielfältigen anderen Bewegungen, welche für die Ausbildung der Hufform und für die Gesundheit der Hufe tatsächlich nicht weniger entscheidend sind. Und es gibt durchaus Hufe, die kaum oder gar keinen Hufmechanismus im oben beschriebenen Sinne aufweisen. Dennoch sind letztere keineswegs statisch und starr. Jeder Huf bewegt sich und verändert seine Form im Augenblick der Belastung durch das Pferdegewicht; er tut dies aber nicht in ewig gleicher (mechanistischer), sondern vielmehr in sehr individueller Art und Weise.

Das ist beileibe keine neue Entdeckung, allerdings hat sich diese wichtige Erkenntnis bisher nicht wirklich Bahn gebrochen; sie kümmert gewissermaßen bis heute im Schatten des einprägsamen und mächtigen Begriffes vom Hufmechanismus. Dabei sind allein die widersprechenden Ergebnisse der zahlreichen Experimente zur Erforschung der Hufmechanik ein recht eindeutiger Fingerzeig, dass es eine einheitliche Hufbewegung in der Form nicht gibt. Das erkannte bspw. Militär-Obertierarzt Isidor HEIZER, der Anfang des 20. Jahrhunderts zu diesem Thema einen ausführlichen Artikel verfasste. Er forderte in diesem Artikel dazu auf, darüber nachzudenken, warum die verschiedenen Forschungsresultate mit schöner Regelmäßigkeit zu so unterschiedlichen, ja geradezu widersprechenden Ergebnissen führten (HEIZER 1903: 289). Er selbst war über seine langjährige praktische Tätigkeit in der Hufbearbeitung mittlerweile zu dem Schluss gelangt, dass die Ergebnisse der oben genannten Experimente insofern falsch sind, als sie eine Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse für den Pferdehuf an sich behaupten wollen.

„Die Hufe der Pferde sind ja so verschieden, daß man sie schon aus diesem Grunde nicht gleich beurteilen kann; und wenn wir noch die verschiedenen Stellungen der Füße in Betracht ziehen, mit welchen der Mechanismus der Hufe im engen Zusammenhang steht, so versteht es sich beinahe von selbst, daß in der Hufbewegung auch Unterschiede bestehen. .... Ich kam nicht mittels mechanischer Instrumente, sondern während einer 14jährigen Übung des orthopädischen Hufbeschlages und Formen des Hufes durch Beschneiden zu dem Resultat, daß es Hufe gibt, die sich während der Belastung ausdehnen (erweitern) und solche, die sich zusammenziehen (verengern). Ferner gibt es Hufe, die sich auf der einen Seite ausdehnen, auf der anderen Seite dagegen zusammenziehen.“ (HEIZER 1903: 292f.)

Es gibt auch Forscher, die auf experimentellem Wege zu dieser Ansicht gelangten. AKERBLOM begann seine Arbeit ursprünglich mit dem Ziel des Nachweises und der Erkundung des Hufmechanismus, um dann im Ergebnis zu konstatieren, dass es richtiger sei von den „Hufbewegungen“ anstatt von einem „Hufmechanismus“ zu sprechen. Denn „eine einheitliche Form der Hufbewegung gibt es nicht, sie wechselt individuell in hohem Grade“ (1930: 114). Auch DAVIES et al. konstatieren im Ergebnis ihrer Forschungen, dass die jeweilige Form des Hufes sein mechanisches Verhalten beeinflusst (2009: 13).

Leider finden diese Fakten bis heute nur wenig Beachtung und die Bewegungsmechanik des Pferdehufes wird nach wie vor länder- und parteienübergreifend auf einen Hufmechanismus reduziert. Das führt zum einen, wie oben ausgeführt, nicht selten zu falschen Schlüssen und Bearbeitungsrichtlinien, zum anderen verhindert es das Verständnis für die Entstehung der individuell verschiedenen Hufformen. Weshalb Hufe letztlich so verschiedene Formen besitzen und weshalb sie so unterschiedlich auf die äußeren Einflüsse wie Bodenverhältnisse, Nutzung und Hufbearbeitung reagieren, erschließt sich allein aus ihrer Biomechanik. Die elastischen Eigenschaften des Pferdehufes und die Plastizität des Hornes lassen die Bodenreaktionskräfte tagaus tagein formend auf den Pferdehuf einwirken. Für ein sinnvolles Eingreifen im Rahmen der Hufbearbeitung ist es erforderlich, diese Formgebungsprozesse zu durchschauen, um sich zum Wohle der Huf- und Pferdegesundheit in sie einschalten zu können. Ein solches Sich-Einschalten ermöglicht, anders als ein stetes nachträgliches Korrigieren, gezielt Veränderungen am Horn vorzunehmen, die es zukünftig anders auf die Kraft des Bodengegendrucks und den Abrieb reagieren lassen.

Die obengenannten Auswüchse in Sachen Sohlenauswirken, Trachtenniederschneiden und Erweiterungseisen, von denen jeder vernünftige Mensch heute Abstand nimmt, sind letztlich bedauerlicherweise nur die konsequente Verlängerung der bis heute gültigen Theorie zum Hufmechanismus. Reduziert man die Bewegungen des Hufes auf diese Momente eines Hufmechanismus und schreibt ihnen die besagten positiven Eigenschaften bei der Gesunderhaltung der Hufe und des Pferdes zu, so muss man sich in der Konsequenz fragen lassen, warum dann nicht soviel davon wie möglich. Wenn es die Trachtenerweiterung ist, die eine gute Durchblutung und Stoßdämpfung sichert, dann ist es gewissermaßen naheliegend, erstere auch mit allen Mitteln herzustellen.

Nimmt man den Fokus vom Mechanismus und legt ihn auf die Hufbewegungen, wird man feststellen, dass letztere die gesundheitserhaltenden Effekte weit besser und umfassender sicherstellen. Die vielgestaltigen Bewegungen des Hufes sorgen für eine stetige „Massage“ der Lederhäute, hierdurch wird die Durchblutung angeregt und damit die Nährstoffversorgung im Huf positiv beeinflusst. Die wechselnde Be- und Entlastung des Hufes lässt die Gefäßdurchmesser der Kapillaren im ständigen Wechsel größer und wieder kleiner werden, Blut strömt ein und wird wieder herausgepresst, je nachdem ob ein Zug oder Druck die Lederhautblättchen und –zöttchen in diese oder jene Richtung bewegt, sie weitet oder komprimiert.[2] Durch die horizontalen und vertikalen Bewegungsimpulse der Hornwände und durch die Bewegungen der flexiblen Hufknorpel, werden die Venen beim Rücktransport des Blutes unterstützt. Die in den tiefen Schichten der Wand- und Sohlenlederhaut sowie beidseits der Hufknorpel befindliche Venengeflechte werden durch die ständigen Formbewegungen des Hufes beim Auf- und Abfußen stimuliert, so dass das venöse Blut, unterstützt durch die (nach neuen Erkenntnissen auch in den Lederhäuten) regelmäßig verteilten Venenklappen, aufwärts gedrückt wird.[3] Diese Eigenschaft des Hufes, durch seine Bewegungen die innere Durchblutung des Pferdefußes anzuregen, hat wenig zu tun mit der oft zitierten „Hufpumpe”. Letztere beruht auf der Vorstellung einer stetigen rhythmischen Trachtenweitung und ist immer der Auftakt zu den oben erwähnten, massiven Eingriffen und Hufkorrekturen. Auch die Überhöhung des Hufes zu einem „Hufherz“ gründet auf dieser falschen Vorstellung und spätestens wenn der Huf die Funktion eines Herzschrittmachers zugesprochen bekommt und die Behauptung aufgestellt wird, die mangelnde Hufherzfähigkeit (Fähigkeit zur Trachtenweitung) verursache beim Pferd Herzerkrankungen, wird das Ganze zur reinen propagandistischen Rede.

Es ist keineswegs so, dass eine gute Durchblutung und Nährstoffversorgung des Hufes nur bei einer Weitung der hinteren Hufwände stattfinden kann. (Wie kommen die steilen engen Hufe dann eigentlich zu ihrem mitunter sagenhaft harten Horn?) Aber auch das Gegenteil entspricht nicht der Wahrheit, dass nur eine möglichst geringe Wandbeweglichkeit ein Herauspressen des Blutes ermöglicht, wie bei HANSLIAN (1932: 176) oder TULETZKI-GERSTENBERG (2005) ausgeführt.

Jeder Huf hat seine eigene individuelle Biomechanik und sorgt mit dieser für die wechselnde Komprimierung und Weitstellung der Blutgefäße. Was er dazu braucht, ist die Möglichkeit zur Bewegung. Deshalb kommt, und das gilt umstandslos für alle Hufe aller Formen, viel Bewegung auf unterschiedlichen Böden dem Hufhorn in Qualität und Wachstum zugute. Hufe von Pferden, die viel oder auch ausschließlich stehen müssen, bleiben in ihrer Entwicklung und Qualität zurück.

Im besten Falle haben Pferde also die Möglichkeit, sich auf unterschiedlichen Böden ausreichend zu bewegen. Die Hufbiomechanik hilft den Pferden auch dabei, diese Böden zu erkunden und damit auf den verschiedenen Untergründen auch sicher unterwegs zu sein. Die Biomechanik verleiht dem Pferdehuf einen Tastsinn. Neben den Fasern des autonomen Nervensystems, welche die Weite der Blutgefäße regulieren und die Durchblutung steuern, sorgen sensorische Nervenfasern für die Tast- und Schmerzempfindungen des Hufes. Dass der Pferdehuf empfindlich ist, findet meist nur in der negativen Konnotation Beachtung, nämlich als Fühligkeit oder Lahmheit. Dabei hat die Fähigkeit zur Empfindung auch beim Huf vor allem zunächst einmal eine grundlegend positive Bedeutung. Die sensorischen Rezeptoren im Huf ermöglichen es dem Pferd, sich über den Boden „mit seiner Umgebung zu beschäftigen und sowohl vorübergehend als auch dauerhaft mit ihr zu interagieren“ (BOWKER 2007: 57). Die Hufbiomechanik lässt die Pferde die unterschiedlichen Untergründe unter ihren Füßen spüren und entsprechend fußen. Sie gibt dem Pferd in der Fortbewegung Orientierung und Aufschluss über die Bodenbeschaffenheit und trägt über die lokomotorischen Reflexmechanismen zum fließenden Gang des Pferdes bei (ebenda: 48). Die über das Hufhorn vermittelten direkten sensorischen Empfindungen tragen zum Schutz der Gliedmaßen bei, indem sie unmittelbar entsprechende unwillkürliche muskuläre Reaktionen auslösen sowie mittelbar und willentlich gesteuert für einen schonenden Umgang mit den Gliedmaßen sorgen.

Die Hufbiomechanik stellt also eine wichtige Schutzfunktion dar. Dies umso mehr, als es dem Pferdehuf, durch die ihm eigene Elastizität und Verwindungsfähigkeit, auch bis zu einem gewissen Grade möglich ist, Unebenheiten und Verwerfungen des Bodens zu schlucken. Das bedeutet eine zusätzliche Entlastung für die Gelenke. Das Pferd spürt nicht nur, wo es hintritt, sondern die Biegung, Stauchung und Dehnung der Hornwände im Zusammenhang mit der vertikalen Verwindungsfähigkeit des Hufes im hinteren Hufbereich ermöglichen es dem Pferdehuf, sich ein Stück weit an den unter ihm befindlichen Boden „anschmiegen“ zu können. Hierdurch werden Stöße des Untergrundes gemildert und einseitige Kraftspitzen auf Knochen, Gelenke und Bindegewebsstrukturen der Gliedmaßen abgeschwächt. Diese beiden Momente der Hufbiomechanik – Fühlen und Anschmiegen – tragen maßgeblich zur Gesunderhaltung der Pferdegliedmaßen bei. Das entlastende Potential der Biomechanik des Hufes kommt so auch bspw. in engen Wendungen zum Tragen, wo die Gliedmaße stets eine starke einseitige Belastung erfährt (HERTSCH et al. 1996: 29 f.; CASTELIJNS 2007: o.S.).

Die Biomechanik des Pferdehufes ist also tatsächlich ein wesentlich komplexerer Prozess als er mit den bisherigen Definitionen und Modellen von Hufmechanik und Hufmechanismus erfasst wurde. Im Zusammenspiel zwischen einfallender Körperlast - die vermittelt über das Hufinnenleben von innen auf den Hornschuh einwirkt - und Bodenreaktionskraft - die über die Hufunterseite Druck und Zug auf die Hornwände ausübt - wird der Huf des Pferdes in spezifischer Weise bewegt und hierdurch letztlich geformt. Die individuelle Biomechanik des Hufes erschafft so seine individuelle Hufform. Diese Hufform wiederum bestimmt im Folgenden, wie nun weiterhin die konkrete Biomechanik ausfällt. Es handelt sich hierbei um einen klassischen Feedbackmechanismus (THOMASON 2007: 9). Dieser kann im ungünstigen Fall auch die Form eines circulus vitiosus einnehmen. Letzteres zu verhindern, ist Aufgabe der Hufbearbeitung, wobei sie dazu umso besser in der Lage ist, je präziser und gewissenhafter sie die Hufbewegungen in ihrer Komplexität erfasst.

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  • In der geschichtlichen Darstellung stütze ich mich auf die Arbeiten von LEISERING; HARTMANN (1893: 145ff.), AKERBLOM (1930: 4ff.) und HARDERS (1985: 6ff.).
  • siehe hierzu auch PELLMANN (1995: 91f.) und HENKE (1997: 81f.)
  • Laut Untersuchungen von HIRSCHBERG/BRAGULLA können entgegen mancher Angaben in der Literatur zweizipflige Taschenklappen in den Venen bis an die Grenze zwischen tiefer und oberflächlicher Schicht der Lederhäute nachgewiesen werden. Hierdurch wird der Blutabfluss aus dem Huf gefördert. (2007: 34)