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Hufkrebs als Folge von ungünstigen Hufzuständen, dessen nicht-invasive Behandlung und Abgrenzung zum Hufkarzinom

von Astrid Arnold

Einleitung

Die Behandlungserfolge von Hufkrebs in der Praxis sind häufig unbefriedigend. Trotz invasivem Vorgehen heilt die Erkrankung nicht ab oder es kommt nach vorübergehender Verhornung auf den Lederhäuten zu Rückfällen. So habe ich es auch während meiner Ausbildungszeit erlebt.

Schon damals konnte ich unphysiologische Hufzustände, meist waren es Zwanghufe, als Gemeinsamkeit bei den verschiedenen Hufkrebsfällen feststellen. Ein Gespräch mit meiner Hausärztin zu dem ihr ja eigentlich unbekannten Thema Hufkrebs ergab: Egal um was es sich beim Hufkrebs wirklich handelt, es liegt immer auch eine Wundheilungsstörung vor, vielleicht auch „nur“ eine solche. Auf Grundlage dieser Erkenntnis passte ich die Therapie an. Etliche Hufkrebsfälle konnten so bisher erfolgreich behandelt werden und es kam bei diesen zu keinen Rückfällen.

Diagnose Hufkrebs

Wann immer am Strahl oder seiner näheren Umgebung ungewöhnliches Horn oder offene, verändert wirkende Lederhäute zu finden sind, ist die Diagnose Hufkrebs schnell gestellt. Dabei werden die unterschiedlichen Erscheinungsbilder leider bis heute noch nicht ausreichend differenziert. In der Praxis werden selten histologische Untersuchungen gemacht. Optische, haptische und olfaktorisch differenzierende Untersuchungen finden in der Regel ebenfalls nicht statt. Dabei können wir hier sehr viele Unterschiede finden und zumindest einmal den Hufkrebs von einer einfachen Verletzung im Stadium der Wundheilung mit Granulationsgewebe unterscheiden.

In unserer Praxis haben wir verschiedene Krankheitsbilder kennengelernt, die letztlich alle mit Hufkrebs im Zusammenhang stehen können bzw. diesem auch z.T. direkt zugeordnet werden können:

  1. Strahlfäule mit Strahllederhautverletzung, häufig in der mittleren Strahlfurche.
  2. Freiliegende Lederhäute mit Granulationsgewebe ohne Hornbildung.
  3. Sichtbare verlängerte Lederhautzotten ohne Hornproduktion.
  4. Strahlpolster- und Strahllederhautentzündungen mit keiner oder nur wenig Hornproduktion, bei denen die dünnen Hornschichten wie Blätterteig abgezogen werden können.
  5. Situationen mit übermäßiger Hornproduktion, bei denen sich das Horn teilweise blumenkohlartig oder in verdickten Zotten zeigt.
  6. Borkiges und schuppiges Saumhorn, Hornfaltenbildung an der Hufwand, häufig in Verbindung mit abstehenden Haaren am Kronrand als Hinweis auf eine Entzündung der Saum- und Kronlederhaut.
  7. Hornverfärbungen von weiß bis gelb, braun und schwarz.
  8. Geruch von unauffällig bis faulig oder eitrig.

Dabei kann sich jeder der Punkte an einem Huf gleichzeitig zeigen.

Zusätzlich finden wir aber auch:

  • Gewebezubildungen, bei denen es sich um ein tatsächliches Karzinom handelt.

In zwei Fällen meiner Hufpraxis wurde ein Plattenepithelkarzinom festgestellt. Ich habe allerdings die Befürchtung, dass es hier eine höhere Dunkelziffer gibt. Gewebeuntersuchungen zum Nachweis werden nur selten gemacht. Mangels Bekanntheit wird dieses Hufkarzinom häufig nicht erkannt und eine rechtzeitige Behandlung erfolgt nicht.

Der Beginn der Entstehung von Hufkrebs ist immer eine Verletzung am Huf oder Ballen des Pferdes. Ob es sich dabei um eine Schnitt-, Stich- oder Brandverletzung handelt, spielt keine Rolle. Quaddeln, Mauke und sonstige Hautreizungen können ebenso auslösend sein, wie eine Hornfäule, die die Lederhaut erreicht. Eine der häufigsten Verletzungen am Huf, vielleicht die häufigste überhaupt, ist die Quetschung der Lederhäute durch unphysiologische Hufzustände. Aus welchen Gründen bei manchen Pferden aus einer solchen Verletzung ein Hufkrebs entsteht, ist momentan noch unbekannt. Es liegt sicher auch eine Veranlagung dazu vor und der individuelle Stoffwechsel und das Immunsystem spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle hierbei. Hufkrebs ist also alles in allem eine besondere Form der Wundheilungsstörung und er wird daher von uns auch als eine solche behandelt.

Es ist nur sehr selten notwendig, das Hufkrebshorn operativ zu entfernen. Nur wenn das Horn den Zugang zur infizierten Lederhaut verhindert oder so raumfordernd ist, dass das nachwachsende Horn ungünstig verdrängt wird, ist die Entfernung sinnvoll. Ansonsten ist jedes Horn am Huf „mein Freund“ und erfüllt - wenn vielleicht auch nicht so gut wie normales Horn - eine Aufgabe. Es ist die natürliche Abdeckung der Lederhaut und es schützt sie vor zu viel Feuchtigkeit aber auch vor dem Austrocknen. Horn, auch wenn es eine schlechte Konsistenz hat, verhindert, dass die Lederhautzotten sich verlängern. Es übt einen gewissen Druck auf die Lederhaut aus und ist damit für den Abtransport von Lymphe wichtig. Alles Eigenschaften, die wir unbedingt nutzen möchten.

Das veränderte aber immerhin noch vorhandene Horn zeigt uns, dass es auf der Lederhaut zumindest Inseln geben muss, bei denen das Epithel geschlossen ist und sich Epithelzellen vermehren. Sicher sind dazwischen möglicherweise offene Lederhautbereiche, also viele kleine Wunden, die durch eine Operation und Entfernung des gesamten Gewebes jedoch zu einer großen Wunde werden.

Häufig wird argumentiert, dass nekrotisches Gewebe entfernt werden muss. Das wäre richtig, wenn es die Lederhaut betreffend tatsächlich vorhanden wäre. Wir konnten allerdings beim Hufkrebs bisher in keinem der praktischen (lebenden) Fälle und auch an keinem der Präparate nekrotisches Lederhautgewebe finden. Nekrotisches Gewebe ist über den Geruch gut feststellbar, denn es riecht unverwechselbar nach Verwesung und nicht - wie beim Hufkrebs üblich - käsig.

Anders verhält es sich mit dem Hufkarzinom. Hier finden wir nekrotische Bereiche, welche zuallererst an ihrem Verwesungsgeruch identifiziert werden können. Optisch ist das zunächst kaum möglich, da sich die Nekrosen im Inneren des Hufes befinden. Beim Präparat zum Hufkarzinom (Bild 6) können diese nekrotischen Bereiche jedoch gut gesehen werden.

Hufkrebs als Folge von Strahlfäule

Auch wenn es die Pferdebesitzer nicht gern hören, unhygienische Bedingungen führen sehr wohl zu Strahlfäule und damit zur Gefahr, dass sich hieraus ein Hufkrebs entwickelt. Strahlfäule ist eine leider sehr unterschätzte Erkrankung des Hufes, die eine Vielzahl von Folgeerkrankungen nach sich zieht. Die Ursache von Strahlfäule sind neben unhygienischen Haltungsbedingungen auch Hufbearbeitungen, die entweder einfach zu selten oder aber unter Nichtbeachtung der überlangen Hebel an Wänden, Trachten und Eckstreben erfolgen. Viel zu häufig lassen wir Hufbearbeiter uns die Hornfäule gefallen, obwohl es die gute Arbeit am und für den Huf erheblich erschwert. Ohne die Ursachen wirklich zu beseitigen, werden die abenteuerlichsten Mittel und „Medikamente“ verwendet, um die Strahlfäule zu behandeln. Mittel mit Inhaltstoffen, die in Europa schon längst verboten sind, kommen zum Einsatz. Solange die Strahlfäule nur das Horn betrifft, mag dies vielleicht noch angehen. Obwohl man sich auch da die Frage stellen muss, mit welchen Stoffen man die Umwelt seines Pferdes belastet. Dabei würden zur Bekämpfung der Hornfäule zunächst ganz einfache Hygienemaßnahmen und das Waschen mit Wasser und Seife ausreichen. Hat die Fäulnis erst einmal die Lederhäute erreicht, ist die Situation leider eine andere.

Es kann nicht angehen, dass Produkte mit unbekannter Zusammensetzung auf offene, infizierte Lederhäute gebracht werden. Häufig beinhalten diese Produkte Inhaltstoffe, die die Basalzellschicht wie auch die Lederhaut selbst nachhaltig schädigen und so überhaupt erst zu den späteren Wundheilungsstörungen führen! (siehe Abb. 1)

In Abbildung 1 hat der entzündliche Prozess das Ballen- und Strahlposter ergriffen. Die vermehrten Blutgefäße im Polster deuten auf einen bereits langandauernden Entzündungsprozess hin. Auch der Ansatz der tiefen Beugesehne ist entzündet. Das Präparat findet sich in Farbe auf den Seiten der DHG-Präparierwerkstatt.

Hufsituationen, die zur Strahlfäule führen

Das sind bspw. alle Hufsituationen, die zu einem erhöhten Druck in der mittleren Strahlfurche und im Hahnenkamm führen. So bei Zwanghufen mit eingeklappten oder eingerollten Trachten. Die Situation zeigt sich auch optisch in einem atrophierten und unterentwickelten Strahl.

Eine weitere Variante von Zwanghufen sind diejenigen, mit schräg nach außen stehenden und hebelnden Trachten- sowie Eckstrebenwänden. Sie engen in erster Linie den Ballen ein. Häufig findet man diese Form bei den weiten Hufen, aber auch bei schmalen Hufen sind sie vorhanden, wenn deren Trachten entsprechend falsch bearbeitet wurden. Bei diesen Zwanghufen erscheint der Strahlkörper oft noch gut ausgeprägt. Die Kraftwirkung auf die Trachtenwände ist im bodennahen Bereich nach außen spreizend und im Ballenbereich stark einengend.

Zu lange Eckstreben drücken nach innen Richtung Strahl und Ballen, was man auf dem Bild 2 gut nachvollziehen kann. Dabei wölben sich auch die seitlichen Strahlfurchen auf und es kommt zu übermäßigem Druck auf die Lederhaut an dieser Stelle. Die Strahlfurchen werden dabei tiefer und Dreck, der sich hier eintritt, kann nicht mehr gut von selbst herausfallen. Dass solche Hufzustände oft durch Vernachlässigung der Hufbearbeitung und Hufpflege entstehen, muss ja nicht besonders erklärt werden. Andererseits entstehen solche Hufzustände mitunter auch erst durch die Hufbearbeitung selbst, wenn diese sich einzig auf Stellungskorrekturen, wie Fesselstands-, Fesselachsen-, Trachtenlängen- oder Fußungstheorien richtet und die individuelle Hufgelenkstellung mit ihren Abweichungen nicht berücksichtigt.

Ich möchte Ihnen das am Beispiel eines praktischen Falles (siehe Falldokumentation Dukat in der Tagungsmappe) veranschaulichen: Das ehemalige Springpferd Dukat hatte sich durch eine Verletzung ein bodenparalleles Hufbein erworben, da die tiefe Beugesehne nachgegeben hatte. Über Jahre hinweg wurde über die Hufbearbeitung versucht, die Stellung hin zu einem passenderen Fesselstand zu korrigieren. Das ist über einen zusätzlich angebrachten Beschlag zum Teil auch gelungen. Die Trachten wurden hierbei stets recht lang belassen und die Zehe vermehrt gekürzt. Der lange Hebel an den Trachten hat jedoch schnell dazu geführt, dass diese sich einrollten und unterschoben. Im Ergebnis kam es laut Beschreibung der Pferdebesitzerin zu einer Strahlfäule, welche nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Über die Jahre wurden fast alle Mittel gegen Strahlfäule versucht, allerdings brachte keines einen wirklichen Erfolg. Die Strahlfäule war trotz guter Hygiene mal mehr, mal weniger ausgeprägt, aber immer vorhanden.

Es ist wichtig zu wissen, ein Beschlag - egal aus welchem Material - erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass bei entsprechend prädisponierten Hufen eine Strahlfäule entsteht. Denn ohne Hornabrieb besteht immer die Gefahr, dass die Hebel am Huf zu lang werden.

Der Übergang von Strahlfäule zum Hufkrebs

Während bei Strahlfäule in der mittleren Strahlfurche kein oder kaum mehr Horn gebildet bzw. das gebildete Horn durch Keime zerstört wird, kommt es beim Übergang zum Hufkrebs wieder zur Hornbildung, allerdings als „Nothorn“ mit vergrößerten und lose zusammenhängenden, schnell zerfallenden Hornzellen. Optisch sieht der Hufkrebs dann weit schlechter aus, als die noch recht unauffällige Strahlfäule. Aber ist es das wirklich? Immerhin gibt es ja wieder eine Hornproduktion, was ich gegenüber dem Zustand keiner Hornbildung als einen Fortschritt betrachte. Je stabiler dieses „Nothorn“ wird, umso auffälliger sieht es unter Umständen aus. Wird allerdings spätestens jetzt nicht schnell und richtig gehandelt, kann sich der Hufkrebs auf die umgebenden Lederhäute ausbreiten. Auf dem Bild 3 sieht man einen Hufkrebshuf in der Heilungsphase. Allerdings zeigen die Zotten in der im Bild rechten seitlichen Strahlfurche an, dass sich die Problematik auf die Terminalzotten der Blättchenschicht der Eckstreben ausgeweitet hat. Das war am Anfang der Behandlung (Bild 2) noch nicht so. Der Hufkrebs ist gerade dabei, sich auf die Sohle auszubreiten. Die Zotten zeigen, dass die Eckstrebenwand bereits erkrankt ist und die Verletzung bis zumindest an die Terminalzotten, wenn nicht schon an die Sohle heranreicht. Es ist in diesem Fall also zwar eine Verbesserung hinsichtlich des Strahlhornes gelungen, nicht aber eine Verbesserung hinsichtlich der Hufsohle. Die Pferdebesitzerin hatte mit den Behandlungsmaßnahmen nachgelassen, da sie sich durch die schnelle Verbesserung des Hufkrebses am Strahl sicher wähnte und glaubte, das Problem im Griff zu haben.

Hufbearbeitung beim Hufkrebs

Unphysiologische Hufzustände können über dauerhafte Quetschungen der Lederhäute eine Verletzung dieser und in der Folge Hufkrebs auslösen. Spätestens dann, wenn die Huflederhaut verletzt ist, kommt es zu kompensatorischen Schonhaltungen und der Huf wird sich zusätzlich negativ verändern. Da Hufkrebs fast immer den hinteren Hufabschnitt betrifft, bevor er evtl. später auch auf den ganzen Huf übergreift, wird das Pferd die hinteren Hufabschnitte schonen und minderbelasten. Dadurch kommt es zu einem Minderabrieb in den Trachten- und Eckstrebenwänden und damit zu einer Verlängerung der Hebel in diesem Bereich. Die langen und im Winkel oft ungünstig zum Boden stehenden Hebel bringen sehr viel Druck auf bestimmte Bereiche des Hufes und führen damit zu Quetschungen an den dort befindlichen Lederhäuten. Hinzu kommen aber auch Zugkräfte, die ebenfalls zu Verletzungen, nämlich Zerreißungen führen können. Fehlende geschlossene Hornbereiche machen den Huf insgesamt ohnehin weniger stabil und die ungünstigen Druck- und Zugkräfte können noch weniger aufgefangen werden. Wird an dieser ungünstigen Hufsituation nichts geändert, kann eine Heilung nicht stattfinden bzw. wird es nach kurzen Perioden der Verbesserung immer wieder zu Rückfällen kommen. Meiner Meinung nach ist dieser Umstand, neben dem Einsatz falscher Pflegemittel und Medikamente, die häufigste Ursache dafür, warum die Therapie nicht erfolgreich ist.

Mein Augenmerk liegt also bei der Hufbearbeitung zuallererst darin, die langen Hebel am Huf zu minimieren und die Hebelwinkel am noch wenigstens teilweise funktionsfähigen Horn günstiger auszurichten. Ziel ist es, die Druck- und Zugkräfte in diesen Hufbereichen zu minimieren. Die Hufe werden außerdem sehr sauber ausgeschnitten. Das bedeutet, jedes schwarz verfärbte Horn wird entfernt. Die Hufe sollen so glatt wie möglich und ohne Ansatzstellen für Schmutz und Fäulnis wie auch andere Keime hinterlassen werden. Nothorn wird nur dort entfernt, wo es den Zugang zur infizierten Lederhaut verhindert. Die Hufbearbeitung erfolgt in sehr kurzen Abständen von einer bis max. drei Wochen, um sicherzustellen, dass die Hebel wirklich gering bleiben und neu entstehende Hohlräume und Taschen am Huf nicht wieder Nährboden für Keime bieten.

Schon vor der Hufbearbeitung sollten die Hufe gründlich mit Wasser und Seife gereinigt werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass Dreck und Keime bei der Hufbearbeitung im Huf verteilt werden. Davon abgesehen lässt nur ein sauberer Huf eine Beurteilung der Situation zu. Die Haare oberhalb des Hufes, insbesondere bei langem Behang, sollten entfernt werden. In den Haaren und der dort oft schuppigen Haut können sich Keime jeder Art gut halten. Während der ganzen Behandlungszeit sollte auf eine gute Hygiene der gesamten Hufumgebung geachtet werden und damit auch auf die Hygiene an den Beinen.

Bearbeitungsfehler bedeuten einen Rückschritt

Bearbeitungsfehler haben in meiner Hufpraxis immer zu Rückschritten geführt oder ließen den Hufkrebs auch von vornherein nicht abheilen. Das ist ein weiteres Indiz dafür, wie wichtig die Hufsituation für die Behandlung des Hufkrebses ist. Daher sollte auch, wo immer es möglich ist, vermieden werden, Wände zu sehr zu schwächen oder gar ganz zu entfernen. Wann immer eine Wandentfernung nötig ist, muss der Huf anschließend mit einem Polsterverband versehen werden, solange bis wieder genügend verbindende und tragfähige Wand nachgeschoben ist. Beachtet der Hufbearbeiter die o.g. Tatsachen nicht und ignoriert die hebelnden Trachten und Eckstreben, zeigt sich der Hufkrebs in der Regel therapieresistent, wie man am Beispiel des Pferdes Roxan verfolgen kann:

Nach anfänglich schneller Besserung blieb eine Stelle am Strahl hartnäckig bestehen. Erst nach entsprechender Kürzung der Trachte und Eckstrebe heilte auch diese Stelle ab. (Quelle: www.dhgev.de/infothek/huftagebuecher/hufkrebs-der-fall-roxan/)

Weitere Behandlung

Auch nach der Hufbearbeitung muss der Huf noch einmal gründlich gereinigt werden. Bestens bewährt hat sich hierfür das einfache Ausspülen des Hufes mit fließendem Wasser. Lose Hornanteile werden weggespült, Wundbeläge und Wundsekret schonend entfernt. Und es kommt zu einer erheblichen Keimreduzierung. Ob anschließend noch eine weitere Reinigung mit einer geeigneten Wundspüllösung erfolgen muss, ist in Abhängigkeit von der Situation zu entscheiden.

Nach der erfolgten gründlichen Reinigung sollten alle Nischen, Taschen und Hohlräume mit leichter Kompression austamponiert werden. Das verhindert - sollte der Huf ohne Hufverband bleiben können - sehr effektiv, dass sich gleich wieder Dreck einsetzt. Zum anderen bewirkt die leichte Kompression aber auch, dass die freiliegenden Lederhautzotten nicht in die Länge wachsen bzw. sollten sie das schon getan haben, sich wieder auf Normallänge zurückbilden. Eine starke Kompression beim Tamponieren der Furchen und Taschen würde zu einem punktuellen Druck auf die Lederhäute führen und damit eine Wundheilungsstörung befördern.

Wichtig ist mir an dieser Stelle ausdrücklich auf den Unterschied zwischen Kompression und Druck hinzuweisen. Eine Kompression kann hilfreich sein, Druck jedoch ist eher schädlich.

Ob der Huf ohne Verband bleiben kann, ist wiederum situationsbedingt zu entscheiden. Wenn größere Areale der Lederhaut frei liegen, benötigt es evtl. die Kompression durch einen Hufverband, um den Abtransport von Lymphe zu unterstützen und das Längenwachstum der Lederhautzotten zu begrenzen. Zusätzlich schützt der Hufverband den gesamten Huf vor Verschmutzung. Ist die Hornkapsel insgesamt sehr instabil, kann auch ein stabilisierender Gips- oder Castverband notwendig werden.

Gute Erfahrungen habe ich mit der Blutegel-Therapie gemacht. Die Egel werden dabei in der Ballengrube des Hufes angesetzt. Es kam auf diese Weise stets zu einer schnelleren Heilung, als dies bei Pferden ohne eine solche Behandlung der Fall war. Vor dem Einsatz der Blutegel muss darauf geachtet werden, dass es sich tatsächlich um Hufkrebs handelt und nicht um ein Hufkarzinom.

Zusammenarbeit mit dem Tierarzt oder dem Wundexperten

Wann immer minimalinvasive Hufbearbeitung und Hufreinigung nicht ausreicht und wann immer Medikamente zur weiteren Keimreduzierung benötigt werden, ist die Zusammenarbeit mit dem Tierarzt angezeigt. Möglicherweise ist auch im einen oder anderen Fall eine chirurgische oder enzymatische Wundreinigung angesagt. Geeignete Medikamente müssen gefunden werden. Schon für die erste Hufbearbeitung und Hufversorgung ist unter Umständen die Zusammenarbeit mit dem Tierarzt erforderlich. In vielen Fällen ist schon das Aufheben des Hufes schmerzhaft und wird vom Pferd nicht toleriert, geschweige denn eine Hufbearbeitung. Eine Schmerzausschaltung ist notwendig!

Wundexperten sind fachlich für eine Wundversorgung hervorragend ausgebildet und können, wie im Humanbereich auch, erheblich zur Heilung von chronischen Wunden beitragen.

Verschiedene Mittel zur Keimreduzierung - z.B. Jod, aber auch Kupferverbindungen, wie sie früher (und leider auch teilweise heute noch) verwendet werden - sind bekannt dafür, dass es zu einer Kristallbildung kommen kann. Ich habe bei Untersuchungen mit dem Dunkelfeldmikroskop in Strahlabstrichen aus der mittleren Strahlfurche neben vergrößerten und teilweise zerfallenen Hornzellen auch solche mineralischen Kristalle gefunden. Diese haben in etwa die Größe der dort zu findenden Hornzellen. Es ist aus meiner Sicht gut vorstellbar, dass diese Kristalle - bei der Belastung, wie sie am Huf ja immer stattfindet - Basalzellen wie auch junge Hornzellen mechanisch zerstören können.

Stoffwechsel

Dass sich Allgemeinerkrankungen, Infektionen, falsche Fütterung und auch Medikamentengaben auf das Hufhorn auswirken, ist hinlänglich bekannt. So werden sich gerade auch stoffwechselrelevante Erkrankungen wie EMS, Cushing und PPID aber auch PSSM auf die Produktion und Qualität des Hufhornes, aber auch auf die Wundheilung auswirken.

Verletzungen „rauben“ Mineral- und Vitalstoffe und sollten daher über Nahrungsergänzung ausgeglichen bzw. gezielt zugeführt werden. 

Bei zwei Hufkrebspräparaten konnte ich ungewöhnliche Fetteinlagerungen an den Beinabschnitten finden. Eines der untersuchten Pferde war mir bekannt, es wurde schon unter sehr schlechten Bedingungen aufgezogen.

Es macht aus meiner Sicht Sinn, den Stoffwechsel des Pferdes mit zu behandeln und sowohl die Fütterung als auch die Bewegung zu überdenken, auch wenn ich nicht denke, dass dies alleinig auslösende Faktoren sind. Viele Pferde haben Hufkrebs nur an einem oder zwei Hufen. Immer sind das dann auch die Hufe, die in der schlechteren Belastungssituation sind und dies auch vor Ausbruch der Erkrankung schon waren.

Bewegung und Nutzung des Pferdes

Selbst wenn sich die Entzündungen nur auf die Lederhäute beschränken würden, was aber oft nicht der Fall ist, sollte ein Pferd mit Hufkrebs aber auch schon mit Strahlfäule nicht genutzt werden. Auf den Präparatebildern sieht man, dass sich die Entzündungen bis auf das Ballenkissen, ja sogar bis in den Hufrollenbereich ausbreiten können. Ich persönlich halte es für tierschutzrelevant, wenn Pferde damit weiter geritten werden, was aber gerade bei Pferden mit Strahlfäule durchaus üblich ist.

Die Möglichkeit zur stetigen Bewegung, soweit sie es das Pferd selbst anbietet, ist sicher von Vorteil, fördert doch die Bewegung der Gelenke die Durchblutung auch im Huf.

Hufkarzinom

Wichtig ist es mir, darauf aufmerksam zu machen, dass wir bei der Diagnostik den sogenannten Hufkrebs vom echten Tumorgeschehen, dem Hufkarzinom, unterscheiden müssen. Je früher ein Karzinom diagnostiziert wird, umso größer sind die Chancen für eine Heilung, auch wenn die Prognose insgesamt eher schlecht ist.

Auch wenn wir auf die bekannten Gefahren, die zu einer Karzinombildung beitragen, kaum Einwirkungsmöglichkeiten haben (UV-Strahlung, Viren), sollten wir doch überlegen, ob wir nicht zu den beschriebenen Hufproblemen und damit auch zur Entstehung eines Karzinoms beitragen. Wundheilungsstörungen stellen auch in dieser Richtung eine Gefahr dar, die es zu verhindern gilt.

Sämtliche Desinfektionsmittel sind zelltoxisch. Das müssen sie sein, um Keime erfolgreich abzutöten. Viele sind auch zellverändernd. Wir sollten versuchen, so weit wie möglich auf diese Mittel zu verzichten. In vielen Fällen reicht eine mechanische Reinigung und gute Hygiene vollkommen aus.

Alle Maßnahmen, die wir bei Strahlfäule und Hufkrebs ergreifen, sollten immer von der Überlegung begleitet sein, ob diese Maßnahmen die Wundheilung unterstützen oder eher stören. Mein Wunsch wäre, dass die vielen Mittel gegen Strahlfäule, bei denen es keine Angabe der Inhaltstoffe gibt, nicht mehr freihändig am Huf angewendet werden können. Das gilt auch für die üblichen rezeptfreien Desinfektionsmittel. Ohne Kenntnis der Inhaltsstoffe und explizite Verschreibung durch einen Fachmann haben diese Mittel ein großes negatives Potential. Es darf auch nicht geduldet werden, dass Hufbearbeiter ihre Kompetenz überschreiten. Invasive Arbeiten am Huf, wie das blutige Ausschneiden oder Brennen der Lederhäute, dürfen wenn überhaupt nur mit tierärztlichem Auftrag und in entsprechender Zusammenarbeit vorgenommen werden.

Unabhängig ob es vom Tierarzt oder vom Hufschmied unter Anweisung des ersteren ausgeführt wird, halte ich das Brennen der Lederhäute mit dem heißen Eisen für ein martialisches und überholtes Vorgehen. Dem zeitgemäßen Umgang mit einer Wunde ist es in keinster Weise angemessen.

Nachbehandlung

Dem Hufkrebs wird nachgesagt, dass Pferde, die diese Erkrankung schon einmal hatten, sie leicht erneut bekommen. Das geschieht umso leichter dann, wenn die Hufe in ihrer unphysiologischen Belastungssituation verbleiben oder erneut in eine solche gebracht werden. Im Fallbeispiel der Stute Flora war es stets so, dass der Hufkrebs immer wieder erneut auftrat, sobald der Hufbearbeitungsabstand von vier Wochen durch die Pferdebesitzer hinausgezögert wurde. Flora hatte einen Bewegungsablauf mit stark abriebintensiver Zehenfußung und Mindernutzung der Trachten. Die Trachten wurden deshalb schnell sehr lang und bildeten dann einen zu großen Hebel mit Druck auf die Strahlfurchen. Das Strahlhorn deckelte die Strahlfurchen zu und es entstanden auf diese Weise Taschen, in denen sich Fäulniskeime gut festsetzen und vermehren konnten. Wurde das Bearbeitungsintervall eingehalten, traten keine Probleme auf.

Neben einer sachverständigen und regelmäßigen Hufbearbeitung muss bei ehemaligen Hufkrebspferden selbstverständlich auch in der Zukunft auf eine penible Hufhygiene durch den Pferdebesitzer geachtet werden. Sind diese Bedingungen erfüllt, stehen die Chancen sehr gut, dass es nicht zu Rezidiven kommt.

Abbildungen der Präparatscheiben jeweils frisch und in Kunstharz