Biomechanische Folgen von Zahnproblemen - Auswirkungen auf die Hufstellung und den Abrieb (Souel Maleh)
Einleitung
Wird ein Patient vorgestellt, welcher immer wiederkehrende Fehlabriebe im Hufbereich hat, so kann die Ursache nicht nur eine Gelenksfehlstellung, sondern auch die Folge einer Zahnfehlstellung sein. Da sowohl der Bewegungsapparat, als auch der Zahnapparat einem stetigen Bewegungsmuster folgt und durch die ansetzenden Muskeln und Sehnen Einfluss auf die gesamte Biomechanik des Pferdekörpers nehmen, ist es verständlich, dass ein längerfristiges fehlerhaftes Bewegungsmuster Folgen auf den restlichen Körper hat.
Im Folgenden wird der Einfluss eines durch Fehlabrieb aus der Balance gekommenen Zahnapparates auf die Beinstellung und den daraus resultierenden Hufabrieb aufgezeigt.
Anatomisches Grundwissen
Der Zahnapparat besteht aus den Backenzähnen und den Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers. Insgesamt besitzt ein Pferd im Regelfall 6 Backenzahnpaare rechts und links und 6 Schneidezahnpaare, das sind insgesamt 36 am Mahlvorgang beteiligte Zähne. Zusätzlich gibt es noch Zähne, welche nicht am Mahlvorgang beteiligt sind. Diese können noch 4 Hengstzähne und bis zu 4 Wolfszähne sein. Durch Fehlbildungen ist es möglich, dass Pferde zu viel (Polydontie) oder zu wenig (Oligodontie) Zähne besitzen. Sind diese Fehlbildungen im funktionellen Mahlbereich (Backen- oder Schneidezahnbereich) angesiedelt, so kommt es durch fehlerhaften Abrieb mittel- oder langfristig zu enormen Fehlabrieben und Kieferfehlstellungen. Alle am Mahlapparat beteiligten Zähne unterliegen einem altersabhängigen Nachschieben von 3 bis 1 mm pro Jahr, welche den Abrieb (Abrasion) der Zähne durch das Futter ausgleichen, so dass die Zähne nicht bis auf Zahnfleischhöhe reduziert werden. Die Zähne haben aus diesem Grund eine Ersatzkrone von mehreren Zentimeter, welche im Zahnfach verborgen liegt und für einen konstanten Nachschub sorgt. Ein ausgewachsener Backenzahn kann 8 bis 12 cm lang sein und nur die obersten 0,5 bis 1,5 cm ragen aus dem Zahnfleisch heraus. In der Regel ist der Abrieb durch den Mahlvorgang und das Nachschieben des Zahnes identisch.
Die Zahnstellung der Zähne ist im Regelfall symmetrisch zueinander. Es kommt in der Natur beim Fressvorgang zuerst der Schneidevorgang mit den Schneidezähnen, um das Gras abzuschneiden. Dann erfolgt der Mahlvorgang des zuvor abgeschnittenen Grases, indem der Unterkiefer von unten außen nach oben innen unter starkem Kaudruck geschoben wird. Dies führt zu einer Zerkleinerung des Futters durch die raue Oberfläche des Backenzahnes, ähnlich einer Getreidemühle mit einem groben Mahlstein. Auf der Oberfläche der Backenzähne befinden sich sogenannte Querrillen, welche durch ihren Schrägverlauf das Futter ähnlich einer Förderschnecke gleichzeitig nach hinten bewegen, sodass es mit jedem Mahlvorgang kleiner wird und immer näher an den Schlund geführt wird, wo es dann hinuntergeschluckt werden...
Dieser Artikel ist Bestandteil der Tagungsmappe der 6. Huftagung der DHG e.V. Die Tagungsmappe (51 Seiten) kann zum Preis von 13 Euro bei uns bestellt werden.