Die Huflehre von Dr. Hiltrud Strasser – Vom Vorurteil zur Pseudowissenschaft (Gerhard Jampert)
0) Frau Dr. Straßer
Frau Dr. Hiltrud Straßer steht für ganzheitliche Pferdehaltung und –betreuung. Sie hat dezidierte Meinungen zu der Gestaltung von Pferdeställen, zu Fütterung und reiterlicher Nutzung. Ihr besonderes Augenmerk allerdings gilt den Hufen. Der Großteil ihrer Veröffentlichungen befasst sich mit dem, was sie unter artgerechter Hufbearbeitung versteht. An ihrem „Institut für Hufgesundheit und ganzheitliche Pferdebehandlung IfH“ bildet sie in einem zweijährigen Kurssystem zum „Hufheilpraktiker nach Dr. Hiltrud Straßer“ aus.
Das besondere Renommée, das ihr auf diesem Feld zukommt, verdankt sich zum einem ihrem kompromisslosen Eintreten für den Barhuf - sie gilt als Pionierin der Neuzeit auf diesem Gebiet - zum anderen der wissenschaftlichen Begründung ihrer Auffassung. Auf letztere legt Frau Dr. Straßer sehr viel Wert: So lässt sie sich auf ihrer website www.hufklinik.de die Richtigkeit ihrer anatomischen „Konstanten“ von „führenden Anatomen“ per persönlicher Signatur bestätigen. Neben ihr selbst haben bisher Prof. Cook, Prof. Silver und Prof. Kumar – alle USA – die Erklärung unterschrieben. Die Unterschriftenliste bleibt für weitere Eintragungen offen …
1) Vom „gesunden“ zum „normalen“ Huf
Im Folgenden soll untersucht werden, welche Erkenntnisse von Frau Dr. Straßer grundlegend für ihre Hufbearbeitung sind.
Zunächst bestimmt Dr. H. Straßer den „gesunden“ Huf: „Bei freilebenden Pferden sind nirgends Hufleiden als Todesursache beschrieben worden, obwohl die sehr scheuen Tiere sich in unwirtliche Regionen mit Fels- und Geröllboden zurückziehen, wo sie höchsten Belastungen ausgesetzt sind. Auch bei den halbwilden Zuchtherden großer Gestüte sind die unbehandelten Hufe gesund.“ (Straßer 1991: 9) Vom wissenschaftlichen Gehalt her ist diese Behauptung wenig Wert: Wenn etwas nicht beschrieben wurde, heißt das ja nicht, dass es nicht existiert. Auch die Beschreibung der Zuchtherden beweist nur konsequente Nicht-Befassung: Keiner kümmert sich um die Hufe – dann werden sie wohl gesund sein. Jeder Hufbearbeiter, der solche unbehandelten Hufe z.B. vor einem anstehenden Verkauf erstmals bearbeiten soll, kann da ganz andere Beobachtungen berichten. Dasselbe gilt für Fohlenhufe.
Warum diese unbewiesene Behauptung an den Anfang der eigenen Untersuchungen stellen? Um den Gegenpol aufzumachen: „Auf der anderen Seite haben die Menschen, seit sie die Pferde als <<Haustiere>> halten, Probleme mit den Hufen. Sie versuchen mit immer neuen Methoden, hauptsächlich jedoch mit Hufeisen, eine schnelle Abnutzung, Deformierung und Erkrankung zu verhindern. Aus diesen Tatsachen muss man die Schlussfolgerung ziehen: in menschlicher Obhut werden Pferdefüße schnell unbrauchbar und behandlungsbedürftig.“ (ebenda)
Das Lob des „Naturhufs“ hat rein argumentativen Charakter. Er ist nur negativer Bezugspunkt: „Ein Huf ist nur dann gesund, wenn Wachstum und Abnutzung des Hornes derart im Gleichgewicht sind, dass das Tier weder Schmerzen noch sonstige Probleme hat. Jegliche Hufbearbeitung erübrigt sich also.“ (Straßer 2002: 47) Der Hinweis auf den erfolgreichen Naturhuf dient der Behauptung, dass Hufprobleme sich grundsätzlich aus Haltungsfehlern und Fehlbearbeitung ergeben. Fotos mit der Unterschrift „natürlich abgenutzter, gesunder Huf“ (Straßer 2004: 39) zeigen unkritisiert all die Phänomene, die beim „Nutzpferd“ zur Begründung der Notwendigkeit von starken Eingriffen führen. „Es sollte dadurch deutlich werden: alle schwerwiegenden Hufprobleme haben ihre Ursache nicht in einer <<genetischen Veranlagung der Tiere>>, sondern sind von Menschen gemacht, entweder durch...
Dieser Artikel ist Bestandteil der Tagungsmappe der 2. Huftagung der DHG e.V. Die Tagungsmappe (52 Seiten) kann zum Preis von 10 Euro bei uns bestellt werden.