Tragrandspalt am Hinterhuf
Love Me, Warmblutstute, 17 Jahre
Im Oktober 2019 wurde Love Me erstmals einer Huforthopädin vorgestellt mit dem Wunsch, den seit mehreren Jahren bestehenden Tragrandspalt an Love Mes linkem Hinterhuf in den Griff zu bekommen. Seit zwei Jahren zog der Spalt an der medialen Hufwand trotz aller Bemühungen des Schmieds kontinuierlich höher gen Kronsaum, was der Besitzerin Sorge bereitete.
Love Me wohnt sommers 24/7 auf der Koppel. Im Winter steht sie tagsüber auf einer großen, meist sehr matschigen Koppel, nachts in der Strohbox.
Ihre Hufe wiesen insgesamt keine besonderen Auffälligkeiten auf. Sie hatte gepflegte Hufe, kaum Stauchungen oder Verbiegungen in den Wänden, keine sonstigen Risse oder Ausbrüche.
Der Riss am Hinterhuf medial sollte aber noch vergleichsweise ausdauernd Probleme bereiten. Was hielt diesen Spalt also so hartnäckig am Leben und warum wurde die Situation Jahr für Jahr noch schlechter?
Love Mes linker Hinterhuf zum Kennenlerntermin im Oktober 2019 (bearbeitet):
Im Bereich des Tragrandspalts findet sich in der Blättchenschicht ein ca. 4 cm tiefgehender unbehandelter Fäulniskanal. Dieser wird mit einem scharfen Löffel gesäubert, mit Wasserstoffperoxid ausgespült und dann mit Schafwolle und Keralit undercover verfüllt, damit dieser Defekt, der den Spalt mit Sicherheit so großflächig am Leben hält, ohne weiteren Fäulnisbefall herauswachsen kann.
Durch den sehr feuchten Oktober 2019 hatte das Pferd außerdem an allen vier Hufen mit Entzündungen an den Ballen zu tun, die jedoch durch sauberes Freischneiden der betroffenen Bereiche und tägliches Säubern und Trocknen durch die Besitzerin schnell abheilten.
Januar 2020: Drei Monate nach Behandlungsbeginn ist der Fäulniskanal in der Blättchenschicht durch regelmäßiges Spülen und Stopfen fast heraus gewachsen.
Der Spalt ist ebenfalls deutlich heruntergewachsen. Die Besitzerin säubert den Spalt von außen regelmäßig so gut sie kann, und desinfiziert mit einem Wunddesinfektionsmittel ihrer Wahl, um einen erneuten Befall mit Fäulnisbakterien zu verhindern.
Februar 2020:
Der Spalt wächst weiterhin zuverlässig herunter. Die Blättchenschicht im Bereich des ehemaligen Fäulniskanals ist fast wieder geschlossen.
April 2020: 6 Monate nach Behandlungsbeginn und nachdem der Verlauf bisher vielversprechend war, kommt es leider zu einer unerfreulichen Wendung…
Obwohl die Hufe nach wie vor keine extremen Auffälligkeiten zeigen ist sowohl in der Blättchenschicht, als auch in der Hornwand wieder tiefsitzende Fäulnis eingezogen. Der Kanal in der Blättchenschicht wird gereinigt und wie gewohnt verfüllt.
Der zunächst oberflächlich wirkende Riss in der Hornwand ist bei näherer Betrachtung leider wieder ausgeprägt mit Fäulnis besetzt. Diese zieht nicht nur oberflächlich an der äußersten Hornschicht der Hornkapsel entlang sondern ist tief in die Hornschichten eingedrungen.
Da die tief in das Horn eingedrungenen Fäulnisbakterien nur durch Pflege der Pferdebesitzerin nicht erreicht werden würden und sich somit ihr nachteiliges Wirken in der Hornkapsel fortsetzen würde, beschließt die Huforthopädin alle befallenen Bereich restlos zu entfernen. Die Besitzerin soll den Huf dennoch täglich säubern und desinfizieren, wie gehabt.
Beim nächsten Hufpflegetermin im Mai findet sich erneut ein feiner, noch oberflächlicher Fäulniskanal, der den Spalt wieder besiedelt hat. Da das Säubern und Desinfizieren offensichtlich nicht ausreichend vor erneutem Befall mit Fäulnisbakterien geschützt hat, rät die Huforthopädin der Besitzerin, den Spalt fortan täglich mit hochwertigem ätherischen Oreganoöl einzupinseln. Dieses antibiotisch wirkende Öl ist in der Lage zumindest minimal in das Horn einzuziehen und eine etwas langanhaltendere Wirkung zu entfalten, anders als ein Desinfektionsspray, das nach dem Aufsprühen schnell wieder abtrocknet und dann keine Wirkung mehr hat.
Die Überlegungen und der Fleiß der Besitzerin zeigen Wirkung: Im Januar 2021, 9 Monate nachdem die Fäulnis erneut ausgedehnten Schaden angerichtet hatte und komplett weggeschnitten wurde und insgesamt 15 Monate nach Behandlungsbeginn ist der Spalt endlich vollständig heruntergewachsen.
Ein noch gut erkennbarer feiner Riss reicht vom Tragrand bis in den Kronsaum hinauf. Er ist seit Dokumentationsbeginn auf allen Fotos zu sehen. Korrekt gesagt reicht der Riss allerdings „von Kronsaum bis Tragrand“, da er offensichtlich schon bei der Hornproduktion entsteht. Es handelt sich also um eine kleine Hornnarbe. Das heißt, an dieser kleinen Schwachstelle wird für immer eine etwas höhere Gefahr bestehen, dass sich wieder Fäulnis einnistet. Daher müssen Hufbearbeiter und Besitzerin wachen Auges bleiben, um schon bei ersten Anzeichen gegenzusteuern.