Was ist Huforthopädie?
Huforthopädie in Theorie und Praxis (Dr. Konstanze Rasch)
Vortrag zur 9. Huftagung der DHG e.V. 2015
Huforthopädie in Theorie und Praxis
Tagungsmaterial zur 9. Huftagung der DHG e.V.
Huforthopädie bezeichnet eine Art und Weise der Hufbearbeitung bei der die Formkräfte des Bodens, die tagtäglich auf den Pferdehuf einwirken, produktiv genutzt werden. Durch das Abreiben des Hornes und durch die Einwirkung des Bodengegendrucks werden die Hufe auch ohne menschliches Zutun unablässig geformt und mitunter auch ungünstig verformt. Ein häufiges Beispiel für Letzteres ist das Schieflaufen der Hufe durch eine einseitige Mehrbelastung der Hufinnenseite oder der Hufaußenseite. Ausgangspunkt für das Schiefwerden ist dabei zumeist der stattfindende Mehrabrieb auf der stärker belasteten Hufhälfte, die sich hierdurch schneller kürzt, als die weniger belastete Hufseite.
Während die traditionelle Hufbearbeitung diese Diskrepanz im Abrieb stets nachträglich und durch ein einseitiges Kürzen des Hufes aufzuheben versucht, geht die Huforthopädie so vor, dass sie von vornherein steuernd in den Hornabrieb des Hufes eingreift. Um auch bei einseitig überlasteten Hufen einen gleichmäßigen Hornabrieb zu gewährleisten, werden die Hufe so bearbeitet, dass sich das Horn in bestimmten (weniger belasteten) Bezirken zukünftig schneller abreiben kann und in anderen (mehr belasteten) Bereichen verzögert abgerieben wird. Der daraufhin weitgehend geplant stattfindende Abrieb verhindert auf einfache Weise, dass der Huf ungemütlich schief wird. Auch Hufe die bereits schief geworden sind, können mit Hilfe einer solchen gezielten Abriebsteuerung wieder saniert werden. Neben dem Abrieb wirkt auch der Bodengegendruck formend auf den Pferdehuf ein. Auch dieses Moment wird bei der huforthopädischen Bearbeitung genutzt, um Hufe gesund zu erhalten.
Die huforthopädische Bearbeitung zielt im Unterschied zu anderen Bearbeitungsweisen nicht auf die Herstellung einer bestimmten Idealform am Huf, denn ein gesunder Huf zeichnet sich nicht durch bestimmte Winkelmaße oder cm-Vorgaben aus. Die Hufe der Pferde sind je nach Haltungs- und Bodenbedingungen sowie in Abhängigkeit vom individuellen Gangwerk immer ganz konkreten Abnutzungs- und Verformungskräften ausgesetzt. Im Ergebnis haben die Hufe eines Pferdes deshalb auch ihre ganz eigene charakteristische Form und Gestalt. Die Analyse der Gebrauchsspuren am jeweiligen Huf führt zu den notwendigen Bearbeitungsschritten, die ausschließlich dazu dienen, die individuellen Stärken des konkreten Hufes zu nutzen und seine Schwächen auszugleichen.
Anwendbar ist die huforthopädische Bearbeitung nur am Barhuf, da ein dauerhafter Hufschutz (Eisen- oder Kunststoffbeschlag, Klebeschuh) die planmäßige Steuerung des Hornabriebs und die gezielte Ausnutzung des Bodengegendrucks leider unmöglich macht.
Das Hufdilemma
Lahmheiten stehen an erster Stelle der Erkrankungen des Pferdes. 90% dieser Lahmheiten haben dabei ihre Ursache im Huf (MÜLLER 1999: 43). Man muss sich angesichts dessen wahrlich fragen, sind die Hufe unserer Pferde eine genetisch vorprogrammierte Schwachstelle? Oder wodurch sonst erklärt sich diese Häufigkeit hufbedingter Gesundheitsprobleme?
In allererster Linie muss die professionelle Hufbetreuung hierfür die Verantwortung übernehmen. Sicher gibt es auch zucht- und haltungsbedingte Ursachen von Hufproblemen, aber eine gute Hufbetreuung kann selbst diese Probleme zum Gutteil lösen. Traditionell vorherrschend ist jedoch leider eine Hufbearbeitung, die stets zu spät kommt. Erst das Wieder-Schlecht-Aussehen der Hufe wird zum Anlass genommen, die Hufe zu bearbeiten. Um sie dann wieder gut aussehen zu lassen, muss der Pferdegliedmaße einiges zugemutet werden. Schiefgelaufene Hufe werden so gut es geht wieder in Form geschnitten; manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Bedacht. Für die Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder bedeutet dies regelmäßig eine arge Belastungsprobe. Eine Hufbearbeitung, die Hufe stets aufs Neue wieder schief werden lässt, um sie hinterher wieder gerade zu schneiden, unterminiert die Gliedmaßengesundheit. Der stete Tropfen höhlt den Stein ...
Hufprobleme lösen
Die Huforthopädie eignet sich sehr gut dazu, Probleme am Huf zu lösen. In einer Vielzahl der Fälle können Lahmheiten und Hufprobleme wie Hornspalten, Hufgeschwüre, Strahlfäulnis, untergeschobene Trachten oder ausbrechende Hufe recht einfach durch die Optimierung der Hufsituation beseitigt werden. Auch bei Diagnosen wie Hufkrebs, chronische Hufrehe, Hufknorpelverknöcherung oder Hufrollenerkrankung stehen die Chancen sehr gut, dass die Sanierung der Hufe den Krankheitsverlauf stoppt und dem Pferd so wieder ein beschwerdefreies Laufen ermöglicht wird. Die erschreckend häufig gefällte Diagnose "Hufrolle" bspw. löst sich nicht selten in Wohlgefallen auf, wenn die Hufe aus ihrer hyperextensierten Stellung herausgeholt werden. Auch ein Auseinanderweichen von Hufwand und Hufbeinknochen (Rotation) das sehr oft mit einer Hufrehe einhergeht, ist nichts, womit ein Pferd dauerhaft leben muss. Durch huforthopädische Bearbeitung kann die Rotation beseitigt und die Hufbeinaufhängung dauerhaft wieder hergestellt werden, wodurch sich die Gefahr neuer Reheschübe deutlich verringert.
Welche Hufbearbeitung für mein Pferd?
Früher war alles einfach: Waren die Hufe fällig, kam der Schmied. Der Hufschmied war der Fachmann für die Bearbeitung der Hufe, ob beschlagen oder barhuf. Jahrhundertelang wurde die Hufbearbeitung gänzlich durch ihren ursprünglichen Zweck geprägt - den Zweck, die Hufe von Nutztieren vor zu starkem Abrieb zu schützen. Mit dem Aufkommen der Sport- und Freizeitreiterei relativierte sich die Notwendigkeit eines permanenten Abriebschutzes. Bei der heutzutage üblichen Haltung und Nutzung können viele Pferde ohne weiteres barhuf gehen. Die Kunstfertigkeit des Schmiedens wurde in dem Maße obsolet, in dem die Barhufkultur erwachte. Dafür wurde eine andere Kunstfertigkeit nun allerdings um so wichtiger und das um so mehr, als sie bislang immer recht stiefmütterlich behandelt wurde: Es entstand der Bedarf nach einem Fachmann für die Barhufbearbeitung. Heute hat der Pferdebesitzer die Möglichkeit abzuwägen, wem er die Hufe seines Pferdes anvertrauen möchte:
Hufschmied
Ist der Fachmann für den Eisenbeschlag. Die Hufzubereitung erfolgt dabei in der Regel nach der Fesselstands-, Zehenachsen- oder Fußungstheorie. Die Barhufbearbeitung ("das Ausschneiden") folgt meist denselben Prinzipien.
Huftechniker
Ist der Fachmann für den Kunststoffbeschlag und für jegliche Technik am Huf (Klebeschuhe, Hufschuhe, Kunsthorn). Die Hufzubereitung folgt den o.g. Theorien.
Huforthopäde
Ist ein Fachmann für Barhufe und Spezialist für Problemhufe. Die Hufzubereitung folgt keinem theoretischen Ideal. Abgeleitet von den individuellen Gebrauchsspuren am Huf werden Abrieb und Bodengegendruck gezielt eingesetzt (gesteuert), um die Hufe tüchtig zu halten bzw. werden zu lassen.
Hufpfleger
Ist ein Fachmann für Barhufe. Die Hufzubereitung erfolgt in der Regel nach der Fesselstands-, Zehenachsen- oder Fußungstheorie.
Hufpfleger/ Hufheilpraktiker
Ist ein Fachmann für Barhufe. Die Hufzubereitung erfolgt nach der Methode Strasser, bei der am Huf überaus radikal die Ideale "Bodenparallelität des Hufbeins" und "Hufmechanismus" umgesetzt werden. Beide Ideale werden zusammengefasst zum Ideal "natürliche Hufform", welche das Pferd in einer zumeist schmerzhaften Übergangsphase erwerben muss.
NHC-Hufpfleger
Ist ein Fachmann für Barhufe. Die Hufzubereitung erfolgt nach der amerikanischen Methode Natural Hoofcare (NHC) und verfolgt ebenfalls das Ideal einer "natürlichen Hufform", hier ist das Modell "der Wildpferdehuf". In Deutschland firmieren unter diesem Titel häufig ehemalige Hufpfleger/Hufheilpraktiker nach Strasser.